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Dialektisches Lehrstück

Diskurs
Dialektisches Lehrstück

Dialektisches Lehrstück
Haus Bender in Berlin Foto: Klemens Ortmeyer, Braunschweig
»Abriss ist vom Tisch!«, vermeldete die taz im Februar, aber so einfach ist das in Köln nicht. Zwar liegt das Verwaltungsgutachten zur Zukunft von Oper und Schauspiel endlich vor, doch der Streit, ob Wilhelm Rip hahns Häuser von 1957 und 1962 in Substanz und Funktion gerettet werden können, tobt vehementer denn je. Obwohl das Papier eine klare Empfehlung ausspricht: für die »Vollversion« der Sanierung, einschließlich Rückholung aller ausgelagerten Nebenfunktionen. Nachdem die Ikonen des Wiederaufbaus durch systematische Vernachlässigung haus- und bühnentechnisch ruiniert worden sind, soll das nun 135 Millionen Euro kosten. Kein Pappenstiel, aber weniger als die 195 Millionen für einen Neubau etwa am Deutzer Rheinufer. Nur: Vorhanden sind beide Summen nicht. Kämmerer Peter- Michael Soénius plädiert daher dennoch für den Neubau, durch einen privaten Investor nämlich, dem zugleich das Riphahn-Ensemble zur Sanierung der erhaltenswerten Teile und Vermarktung angeboten werden könnte. Die Beschlussvorlage wurde daraufhin erst einmal zum »Diskussionspapier« degradiert. Schlimm aber ist nicht die weitere Verzögerung wenigstens bis zum Sommer, sondern, dass unter dem Deckmantel des Gebäudeerhalts droht, was auch einen Abriss (den man keineswegs schon ausschließen sollte) besonders unerträglich machen würde: die Auslieferung eines angegriffenen, aber existentiell öffentlichen Innenstadtortes an private Finanzkraft, zumal auch von einer Teilbebauung des Offenbachplatzes die Rede ist. Ohne sich eine Umnutzung im Detail vorstellen zu müssen, hieße dies, jene Haltung weiter zu untergraben, die die Hochkultur ins Zentrum einer sich ihrer selbst besinnenden Bürgerschaft stellt – und die in den Riphahn-Bauten als Kern der Schwarz’schen »Hochstadt« zum Ausdruck kommt. Noch ärgerlicher wäre das, weil die Bürger zeitgleich gerade die Kraft zur Selbstbesinnung eindrucksvoll unter Beweis stellen. Denn das ist die positive Konsequenz: Selten wurde in Köln derart bewegt, erzürnt, aber auch unbefangen über Architektur debattiert – nicht nur auf Podien, sondern ebenso im Kölner Stadt-Anzeiger, der den Blick vergleichend auch nach Kopenhagen oder Sydney gelenkt hat und in dichter Folge Leserbriefe druckt. Bemerkenswert ist, dass gerade in letzten jede noch so geschmäcklerische Ansicht nicht nur vorgebracht werden darf, sondern im Zweifel ebenso schnell mit einem Kontra belegt wird. Eine Gewichtung findet nicht statt, die Diskussion reguliert sich selbst und zeigt, welche Funktion ihr zukommt. Nicht um direkte Einflussnahme kann es dabei gehen, sondern um generelle Wahrnehmungsschärfung, um ein Klima, in dem stadtplanerische Katastrophen zumindest seltener werden – fundamentaler Teil endlich jener Baukultur, über die schon so lange geredet wird. Nur als Plebiszit darf man das nicht missverstehen, das wäre der umsichtigen Planung Tod. Und doch scheint genau das tendenziell nun zu geschehen. Denn wenn plötzlich große Bevölkerungsteile in der Lage sind, in Deutz einen bahnbrechenden Bau zu imaginieren, für dessen Realisierung es nur noch eines Kopenhagener Milliardärs bedarf, mag das amüsant sein, aber eben nur so lange, bis man der Nähe zum Investorenmodell gewahr wird. Dieses findet auf politischer Ebene zunehmend Fürsprecher – wenn denn, wie es heißt, für »anständige Architektur« gesorgt werde. Diese »anständige Architektur« gibt es längst! Nur braucht sie Pflege; doch stattdessen wächst, so muss man immer mehr den Eindruck haben, die Versuchung eines Leuchtturmprojekts, mit dem sich die Opernfrage kurzer Hand zum Bilbao-mäßigen Heilsbringer gegen alles, was man sich an Verkorkstheiten in Planungs- und Kulturpolitik in den letzten Jahren geleistet hat, umdeuten ließe. Das aber wäre dann wirklich die traurigste aller Lösungen: Eine erfreuliche Empfehlung, ein Aufleben bürgerlichen Engagements, und am Ende die nächste stadtplanerische Katastrophe und ein Ersaufen in Heuchelei.

Olaf Winkler
Der Autor ist freier Architekturkritiker und Redakteur
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