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der geschenkte gaul

Diskurs
der geschenkte gaul

Fortsetzung Titel Am 21. August überreichte der Verein »Unternehmer für die Region Köln« der Stadt Köln ein Geschenk: 500 000 Euro

stellten die 33 im Verein zusammengeschlossenen Unternehmen bereit, um das Frankfurter Architektur- und Stadtplanungsbüro Albert Speer & Partner mit der Erstellung eines Masterplans für die Kölner Innenstadt zu beauftragen. Dieser Plan soll »beschreiben, wie öffentlicher Raum in Köln aussehen soll, wo welche Nutzungen bevorzugt anzusiedeln sind, wie die städtebauliche Gestalt sich in den einzelnen Teilbereichen entwickeln soll, in Maß und Qualität, und darüber hinaus auch sehr langfristige visionäre Themen behandeln.«

Was in Deutschland noch eine Seltenheit ist, hat in den USA Tradition: Der Stadt Chicago schenkte der elitäre »Commercial Club« bereits 1909 den berühmten »Plan of Chicago« von Daniel Burnham. Die planerischen und städtebaulichen Leitlinien dieses Plans, der 1911 zum »General Plan of Chicago« deklariert wurde, haben seitdem Chicago maßgeblich geprägt. Auch in anderen US-amerikanischen Städten finanzierten die lokalen Eliten zu Beginn des 20. Jahrhunderts Stadtentwicklungs- und Regionalpläne und bis heute ist solches Engagement vonseiten der Wirtschaft keine Seltenheit. So haben in den neunziger Jahren sowohl die von der regionalen Wirtschaftselite gestützte »Regional Plan Association New York« als auch der »Commercial Club« neue Regionalpläne veröffentlicht. Das Engagement dieser Organisationen wird heute im vielstimmigen stadtpolitischen Diskurs als willkommene und bedeutende Unterstützung nachhaltiger Stadtentwicklung durch die Unternehmerschaft wahrgenommen – nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Will man die Kölner Schenkung beurteilen, ist es auf jeden Fall hilfreich, sich die Erfahrungen aus den USA anzusehen. Aus deutscher Perspektive ist es einerseits erfreulich, dass eine Vereinigung lokaler Unternehmer für städtebauliche Gestaltung und Planung Gelder bereitstellt. Oft genug ist das Interesse für Stadtentwicklung jenseits von konkreten Projekten nur sehr gering. Durchaus erfreulich ist auch, dass sich die Vertreter der Wirtschaft für verbindliche planerische Leitlinien aussprechen, statt solche als Hemmnisse wirtschaftlicher Prosperität zu brandmarken.
Problematisch allerdings ist die Umgangsweise der öffentlichen Hand mit diesem – von der Stadt Köln überschwänglich und in nahezu serviler Dankbarkeit angenommenen – Geschenk: Ohne dass bislang auch nur ein Strich gezeichnet worden wäre, verspricht der Rat der Stadt Köln in einer Absichtserklärung nach den Beratungen über den Masterplan von Speer einen Masterplan für die Innenstadt zu beschließen; und der Bürgermeister versichert emsig, dass der geschenkte Plan nicht in der »Schublade verschwinden« werde. Die Vermutung liegt also nahe, dass das noch ungezeichnete und daher unbekannte Plan-Geschenk die Grundlage für den Beschluss des Rats bilden wird – eine überaus gewagte Zusage. Außerdem verpflichtet sich die Stadt Köln, Mitarbeiter und Materialien für die Arbeit am Masterplan bereitzustellen und den begleitenden Moderationsprozess zu finanzieren. Betrachtet man die Sache aus der Nähe, entpuppt sich das Geschenk also eher als Public-Private Partnership »under cover«, mit dem das Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge umgangen wird.
Einmal mehr zeigt sich hier: Nicht das zivilgesellschaftliche Engagement für Stadtentwicklung an und für sich ist das Problem, vielmehr besteht es in der Unfähigkeit, einer sich selbst als machtlos begreifenden öffentlichen Hand, dieses Engagement als selbstverständlichen Beitrag von Interessengruppen in demokratisch gestaltete Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen. Gerade die Finanzierung des Masterplans durch die Unternehmer für die Region Köln zeigt das Problem dieser Unfähigkeit, denn die Möglichkeiten eigenen Interessen durch Engagement, Geld oder Reputation Nachdruck zu verleihen, sind gesellschaftlich ungleich verteilt. Diese Ungleichverteilung müsste die öffentliche Hand erkennen und politische Prozesse dementsprechend gerecht organisieren. Das wird aber kaum gelingen, wenn die Stadt an der Erstellung des von der Privatwirtschaft finanzierten Masterplans bereits mitarbeitet.
Doch auch die Unternehmer können aus den USA lernen: Dort wurde bei den neuesten Plänen des »Commercial Club« und der »Regional Plan Association« – anders als zu Beginn des 20. Jahrhunderts – peinlich genau darauf geachtet, den Eindruck intransparenter Vermischung von Politik, Verwaltung und planerischer Lobbyarbeit zu vermeiden und alle Interessengruppen der Stadt von Anfang an einzubeziehen. Die Beteiligungsverfahren während der Planerstellung wurden – anders als in Köln – von den Organisationen selbst bezahlt. Wesentlich mehr Großzügigkeit und bürgerschaftlichen Geist hätte die Unternehmerschaft von Köln bewiesen, hätte sie den Plan erst in Eigenregie ohne Zutun der Verwaltung erstellt und dann der Stadt zur Diskussion und freien demokratischen Entscheidung überlassen.
~Barbara Schönig
Die Autorin ist Stadt- und Regionalplanerin sowie Kunsthistorikerin und seit 2003 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Planungs- und Architektursoziologie der TU Berlin.
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