1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Diskurs »

Bild und Raum

Zum 100. Geburtstag von Anton Stankowski
Bild und Raum

Anton Stankowski (1906 – 98), dessen künstlerisches Wirken anlässlich seines 100. Geburtstages zur Zeit in einer großen Retrospektive in der Staatsgalerie Stuttgart vorgestellt wird, ist mit seinen Logos – etwa für die Deutsche Bank, den Heizkesselhersteller Viessmann oder die Lebensmittelgruppe REWE – im Straßenbild immer noch allgegenwärtig. Doch hat er neben dem umfangreichen künstlerischen und gebrauchsgrafischen Werk auch zahlreiche baugebundene Arbeiten realisiert, die in einer Ausstellung nur eingeschränkt vorgestellt werden können. Dabei stand die Auseinandersetzung mit Bau und Raum sogar am Anfang seines Wirkens, denn Stankowski war während seiner Malerlehre und Gesellenzeit in Gelsenkirchen und Düsseldorf schon bald mit dekorativen Innenraumgestaltungen befasst. Hier lernte er architektonische Rhythmen und Maßverhältnisse kennen; Millimeter- und Transparentpapier halfen bei der Umsetzung von Entwürfen ebenso wie beim Verständnis von Relationen.

1928 war er ausführend am ersten innenarchitektonischen Farbleitsystem der Welt beteiligt, das der Konstruktivist und Gestaltungslehrer Max Burchartz (1887 – 1961) für das gegenwärtig abrissgefährdete Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen entwarf. Parallel dazu gestaltete Stankowski erste Messestände im konstruktivistischen Geist, Verbindungen aus De Stijl-Geometrien, dynamischen Schrägstellungen und leuchtendem Farbeinsatz. Die Anstellung in einem Züricher Werbeatelier führte ab 1930 zu zahlreichen Aufträgen in direktem Zusammenhang mit dem avantgardistischen »Neuen Bauen« in der Schweiz. Für die Drucksachen des damaligen Türenherstellers und späteren Großsiedlungsbauers Ernst Göhner, dessen Produkte in der Werkbundsiedlung Neubühl Einfachheit und Zweckmäßigkeit verbinden, konzipierte Stankowski die Prospekte als typografische Filme mit raffinierter Klapptechnik, die Öffnen und Schließen nachbilden. Und für seine Freundin Betti Hürlimann, die in dem bautechnisch innovativen Züricher Zett-Haus ein Atelier für Inneneinrichtung unterhält, entwarf er neben transparenten Visitenkarten einen Prospekt, dessen Titel die Raumdimensionalität auf die Fläche überträgt und Stankowskis zentralen Beitrag zur konstruktiv-konkreten Kunst, das Schrägelement, ankündigt. Der an den Industriebauten des Ruhrgebiets geschulte Blick erkannte gleichzeitig die Flächenwirkungen des neuen Gaswerkes Zürich, für das Stankowski 1932 eines der ersten Fotoplakate der Schweiz montierte. Zu den weitere Kunden zählen die Schweizer Stahlbauindustrie und die Portland-Zementwerke, aber auch Bausparkassen.
Dem Neuen Bauen bleibt Stankowski auch verbunden, als er 1937 nach Stuttgart zieht, wie die um 1938 entstandenen Fotografien der damals als »entartet« verfemten Weißenhofsiedlung belegen. Krieg und Gefangenschaft unterbrechen ab 1940 für acht Jahre das Wirken. Nach Stuttgart zurückgekehrt, stürzt sich Stankowski in die Arbeit. 1955 vereinfacht er Fritz Leonhardts Fernsehturm zum Signet des Süddeutschen Rundfunks, als Ausstellungsleiter der Galerie Behr trägt er wenige Jahre später dazu bei, modernes Design mit moderner Kunst zu verbinden. Stankowski drängt sich nicht auf, an seinen Arbeiten gehen täglich viele Menschen vorbei, ohne den Urheber zu kennen, etwa am Glasrelief im Stuttgarter Mineralbad Leuze, das 1961 entsteht, oder an den baugebundenen Arbeiten, die er in den siebziger Jahren in Allendorf/Eder im Auftrag der Viessmann-Werke realisieren kann. Seine Bildsysteme sind als Möglichkeiten, nicht als Setzungen zu verstehen, bis hin zur Variabilität mit auswechselbaren Platten, wie er sie auch in Zusammenarbeit mit dem Systemarchitekten Burkhardt Leitner entwickelte.
Der Eintritt Karl Duscheks in sein grafisches Atelier (ab 1975 Partner) verschafft Stankowski Luft für die verstärkte Auseinandersetzung mit dem Raum. So entstehen für das Stadthaus Bonn zwischen 1973 und 77 wegbegleitende Stelen (Stankogramme), in Esslingen bei Festo finden sich Skulpturen, im Krankenhaus Sigmaringen Glasarbeiten, Wandreliefs im Erweiterungsbau der Stuttgarter Ameisenbergschule.
Auch die db deutsche bauzeitung ist von Stankowski beeinflusst worden. Im Januar 1981 zeigte sie sich erstmals im Redesign des Ateliers Stankowski und Partner. Behutsam wurde das ursprünglich von Otl Aicher konzipierte und durch die Jahre veränderte Layout überarbeitet, eine leichte Helvetica im Flattersatz sorgte im Weißraum für gute Lesbarkeit, Bilder erhielten klar definierte Positionen und Proportionen, die Inseratseiten wurden geordnet. Grafische Freiflächen vermittelten Großzügigkeit, die den vorgestellten Bauten entsprach. Auch hier zeigte Stankowski, worum es ihm zeitlebens ging: um Finden, Vereinfachen, Versachlichen und Vermenschlichen – wobei das Letzte nicht nur für ihn immer das Schwerste war. Jörg Stürzebecher
Der Autor ist Publizist in Frankfurt am Main. Ausstellung »Stankowski 06« in der Staatsgalerie Stuttgart, bis 2. Juli, www.stankowski06.de
Tags
Aktuelles Heft
Titelbild db deutsche bauzeitung 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
MeistgelesenNeueste Artikel
2 Saint Gobain Glass
Eclaz
3 Moeding Keramikfassaden GmbH
Alphaton

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de