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Architekten können alles. Und wenn nicht?

Diskurs
Architekten können alles. Und wenn nicht?

Für freischaffende Architekten spielen Wettbewerbe eine zentrale Rolle. An ihnen lassen sich Legenden fest-

~Christian Marquart

machen von verdientem Erfolg und unverdientem Scheitern: Jede Ansprache eines Verbandsfunktionärs preist das Wettbewerbswesen in höchsten Tönen, hält dann aber in der Zielkurve des Vortrags einschränkend fest: Es gibt zu wenig Wettbewerbe und zu viele Unwägbarkeiten in den Verfahren (was man auch Gemauschel nennen könnte). Und in einer rhetorischen Kehre wird dann noch einmal vorgerechnet, wie viel kreative Arbeit in der Summe der eingereichten Wettbewerbsbeiträge steckt und wie gering doch die Chancen der Teilnehmer letztlich sind, auf diese Weise an Aufträge zu kommen. Pulverisierte Baukultur, immer wieder in grandiosen Ideenfeuerwerken verbrannt.
Ein Erster Preis ist alles andere als eine Garantie, auch wirklich bauen zu dürfen. Ein fabelhafter Entwurf, der aus unterschiedlichsten Gründen nicht realisiert wird, ist das Geschenk, das die Architekten der Gesellschaft, dem Staat, den Kommunen und privaten Auslobern immer wieder machen – so selbstlos wie widerwillig.
Das Instrument des Wettbewerbs als stadträumliche und architektonische Gestaltungskonkurrenz wird allzu oft vonseiten der Politik und von Investoren mutwillig (und mit allerlei sachfremden Hintergedanken) in die Hand genommen, dann von einschlägig befassten Verwaltungen beziehungsweise Bauabteilungen falsch eingesetzt und obendrein unzulänglich vorbereitet; mit den hart erarbeiteten Ergebnissen schließlich wird dann manchmal so leichtfertig umgegangen wie Roulettspieler es gern im Casino tun, wenn sie ihre Gewinne gleich wieder aufs Spiel setzen. Den größten Teil der Verantwortung tragen dabei jene Instanzen, die auch die Mehrzahl der Wettbewerbe ausschreiben – öffentliche Verwaltungen und ihre Ableger etwa in Instituten und Betrieben der öffentlichen Hand.
In den Debatten um das Wettbewerbswesen finden sich jene schwerwiegenden Defizite, die Architektenwettbewerbe oft, noch bevor sie ausgelobt sind, ins planerische Abseits schlittern lassen, jedoch kaum wieder.
Die deutlichsten Belege für diese Vorwürfe liefern wohl die Ausschreibungstexte selbst, mit denen die Auslober an die (Fach-)Öffentlichkeit gehen. Mindestens so entlarvend wie die bisweilen schlampig und unpräzise formulierten »Briefings« für potenzielle Wettbewerbsteilnehmer ist allerdings auch der Zeitpunkt, zu dem ausgeschrieben wird: Was ist wohl davon zu halten, wenn ein Gebäude entworfen und geplant werden soll, bevor noch seine konkreten Aufgaben, Inhalte und Funktionsbeziehungen von zuständiger Seite diskutiert, definiert und in wesentlichen Grundzügen festgelegt wurden? Das große Rekonstruktionsvorhaben des Berliner Schlosses wurde in ähnlicher Weise vom Schwanz her aufgezäumt wie jetzt eben das kleine Stuttgarter Projekt eines stadtgeschichtlichen Museums; es gibt zwar noch kein tragfähiges Konzept und keine Sammlung, aber immerhin eine klassizistische Residenz an der Stuttgarter »Kulturmeile«, deren geplanter Umbau jetzt Gegenstand eines Architektenwettbewerbs wird. Notabene, die Stuttgarter Kulturmeile ist eine Stadtautobahn, deren Tieferlegung seit Jahrzehnten in mehreren Wettbewerben gedanklich erprobt wurde, erst kürzlich wieder: mit einem Ideenfeuerwerk, dessen Erträge von der Verwaltungsspitze im Nachhinein als weitgehend unrealistisch bezeichnet wurden, ohne dass man die unpräzise Ausschreibung infrage gestellt hätte.
Versteht sich, dass nicht jeder Architekt, der an fernab ausgelobten Wettbewerben teilnimmt, die oft fragwürdigen Hintergründe eines Projekts durchschaut. Dafür müssten aber wenigstens Kollegen vor Ort, jene »Lokalmatadoren«, die Einblick in die je spezifischen politischen Verhältnisse und Kontakte zur Verwaltung haben, energischer eine professionelle Vorbereitung von Wettbewerbsverfahren einfordern, vielleicht gemeinsam mit den Wettbewerbsausschüssen der Kammern. Es geht um mehr Transparenz hinsichtlich der Ziele eines Projekts; um eine präzisere, auch den planerischen Kontext realistisch abbildende Darstellung der Planungsinhalte, Funktionsmuster und Leistungsparameter; schließlich auch um eine seriöse finanzielle Fundamentierung der Bauvorhaben. Es muss klar sein, dass da keiner an einem Luftgitarrenwettbewerb teilnimmt.
Am eklatantesten versagt hier regelmäßig die Politik auf kommunaler und Landesebene: Zu gerne denken Ministerpräsidenten, Landräte und Bürgermeister daran, ihren politischen Nachruhm mit ehrgeizigen Bauvorhaben – sogenannten »Leuchtturmprojekten« – abzusichern, wenn die Kassenlage es nur irgendwie erlaubt; wenn nicht, kann man stattdessen schnell einen vergleichsweise preiswerten Wettbewerb »in die Pipeline« schieben, womit dann schon mal dokumentiert wäre, dass die Politik ordentlich vorausdenkt.
Politik ist die strategische Produktion öffentlicher Aufmerksamkeit: Wer Stimmung machen und eine gute Presse haben will, veranstaltet deshalb gerne flauschige Architektenwettbewerbe. Politiker sind aber in der Pflicht, vernünftige Ziele zu formulieren, zu beschließen und durch Fachverwaltungen pragmatisch umsetzen zu lassen. Politiker und die planende Verwaltung sind im Irrtum, wenn sie glauben, Richter oder Architekten könnten ihre Arbeit tun. Selbst manche Architekten glauben noch daran, weil Le Corbusier ihnen einst ins Stammbuch schrieb: »Der Architekt besitzt die vollkommenste Kenntnis vom Menschen.« Nicht zuletzt die Fachpreisrichter in den Jurys sollten sich deshalb ein Herz fassen, an mangelhaften Ausschreibungen Anstoß zu nehmen.
Der Autor ist freier Publizist und Herausgeber der Zeitschrift »Kultur«. Er lebt in Stuttgart.
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