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Therapiezentrum »Solemar« in Bad Dürrheim

… in die Jahre gekommen
Therapiezentrum »Solemar« in Bad Dürrheim

Im Jubiläumsjahr 2016 haben wir die langjährige und db-typische Rubrik »… In die Jahre gekommen« leicht modifiziert und erweitert. In den nächsten Ausgaben werden wir an dieser Stelle stets ein Gebäude auswählen und betrachten, das bereits zu seiner Fertigstellung in der db gewürdigt wurde. Dem neuerlichen Abdruck des damaligen Artikels folgt die Wiederbetrachtung in Wort und Bild. So haben wir nicht nur die Möglichkeit, zu fragen, wie hat sich der Bau über die Zeit bewährt und was standen ggf. für Sanierungen oder Anpassungen an, sondern nutzen gleichzeitig die Gelegenheit, mit Ihnen durch die Hefte der letzten Jahrzehnte zu stöbern. Auf diese Art und Weise lassen wir Monat für Monat ein Stück db- und Zeitschriftengeschichte Revue passieren. In dieser Ausgabe, mit dem Schwerpunktthema »Holz«, beginnen wir mit dem Therapiezentrum »Solemar« in Bad Dürrheim von Geier + Geier Architekten aus Stuttgart, das im April 1989 in der db veröffentlicht wurde. Damals haben die Architekten ihr Gebäude kurzerhand selbst vorgestellt – so etwas gibt es seit vielen Jahren natürlich nicht mehr in der db – im Heft-Teil Bautechnik folgte dann eine ausführliche Darlegung der Formfindung und Berechnung der Holzschalenkonstruktion des Solebads durch Klaus Linkwitz, damaliger Direktor des Instituts für Anwendungen der Geodäsie im Bauwesen, der Universität Stuttgart. Die Wiederbetrachtung und -bewertung des Therapiezentrums hat Ursula Baus, ehemalige Redakteurin der db für uns vorgenommen. Wir wünschen Ihnen eine spannende, vergleichende Lektüre! ~uk

  • Architekten: Geier + Geier
  • Kritik: Ursula Baus
    Fotos: Ursula Baus; Kur- und Bäder GmbH Bad Dürrheim
Nach Bad Dürrheim, auf 700 m Höhe im Südschwarzwald gelegen, reisen Besucher aus aller Welt. Das höchstgelegene Solebad der Republik bietet in Kur- und Wellness-Angeboten den »State of the Art« und darf sich rühmen, als eines der ganz wenigen Bäder seiner Art schwarze Zahlen zu schreiben. Tatsächlich ist die imposante Badelandschaft unter einer 2 500 m² überspannenden Holzrippenkonstruktion das Eindrucksvollste, was der Ort zu bieten hat. Weitere Angebote ergänzen das Solebad heute auf insgesamt 13 500 m² zu einem Wallfahrtsort für Bade- und Kurgäste.
Es geht im Folgenden weniger um die Architektur der Badelandschaft mit Beckenformen und Entspannungsemporen, Umkleidekabinen und Mobiliar, Fliesengeometrie und -farbe als vielmehr um die Holzkonstruktion des Dachs, die nach inzwischen 30 Jahren immer noch einwandfreie Dienste leistet. Die Entscheidung, das Solebad mit einer Holzkonstruktion zu überdachen, lag nahe, denn Holz verträgt die badübliche Luftfeuchtigkeit von etwa 85 % ausgesprochen gut. Die weichen, organischen Formen entsprachen der Zeit, das Münchner Olympiadach oder die Mannheimer Multihalle von Frei Otto (s. db 09/2015, S. 54) beispielsweise begeisterten Architekten und Ingenieure nach wie vor. Die Bad Dürrheimer Holzrippenschale ruht auf fünf unterschiedlich hohen, hölzernen Baumstützen und ist als doppelt gekrümmte Fläche über dem amöbenförmigen Grundriss eine sinnfällige, Orientierung bietende Raumstruktur. Der größte Baum besteht aus neun, im unteren Bereich gebündelten Leimholzsegmenten, die sich oben vergabeln und dadurch 18 Äste bilden. Meridian- und Ringrippen folgen in etwa den Hauptspannungsrichtungen, wie sie in einer Membran auftreten würden. Dank Zapfen, Überblattungen, Hartholzdübeln, eingeleimten Astlochdübeln und anderen Raffinessen des Zimmererhandwerks blieb letztlich keines der nötigen Metallverbindungsteile sichtbar. Das Schalendach aus Holz – heimische Fichte – ist innen erlebbar, als Warmdach ausgeführt und mit einem Foliendach abgedichtet. Die tragenden Teile bestehen aus Leimholz, die Schalung darunter aus zwei Brettlagen, die gegenläufig diagonal über zwei Felder laufen und auf den Meridianrippen versetzt gestoßen sind. Die untere Lage wurde raumseitig gehobelt.
Erst für 2018 ist eine Erneuerung der Dachfolie vorgesehen – kaum jemand hätte damals eine Lebensdauer der Folie von über drei Jahrzehnten erwartet. Lediglich an den Blitzschutzstellen riss aufgrund von geringen Formveränderungen unter Schneelast die Haut etwas ein. Eigentlich eine Lappalie. Und nur einzelne, blind gewordene Glasscheiben der Lichtkuppeln über den Baumstützen mussten bislang ersetzt werden. Nebenbei: Nach wie vor leisten die seewasserfesten Halogenleuchten beste Dienste. Schadensfrei blieben auch die Anschlüsse der Fassade an den Randträgern der Holzrippenschale – auch das spricht für die Präzision von Planung und Ausführung. 2016 ist vorgesehen, die Baumstützenentfeuchtung zu erneuern, ohnehin stellten sich Lüftungsanlagen als wartungs- und erneuerungsintensivstes »Bauteil« – das darf in einem Solebad mit der bereits erwähnten Luftfeuchtigkeit nicht wundern – heraus.
Alles in allem erweist sich die Solemar-Holzrippenschale als ideale Überdachungsart, in Bad Dürrheim maßgeblich von den entwerfenden Architekten Geier und Geier (heute Geier und Völlger) und dem Konstrukteur Fritz Wenzel perfektioniert. Klaus Linkwitz steuerte die numerische Formfindung und die Fertigungsdaten bei.
Formfindung und Berechnung
Auf die Suche nach der Form dieser Bad Dürrheimer Holzrippenschalen-Konstruktion begab man sich Anfang der 80er Jahre noch mit Drahtnetzmodellen (s. S. 58), die vom Büro Linkwitz vermessen worden sind; damit waren die Daten für eine FE-Berechnung geliefert. Das Solemar-Bad entstand in einem Jahrzehnt, das baugeschichtlich eine Wendezeit markiert, weil wenige Jahre später, seit den 90er Jahren, auch komplexe Formfindungen am Computer erarbeitet wurden.
Hier liegt ein kleiner Exkurs nahe, der den Typus und die Entstehungsweise der Schale erklärt. Bereits in den 20er Jahren hatte Franz Dischinger (1887-1953) an einer Schalentheorie gearbeitet, um daraus Berechnungsmodelle zu entwickeln. Gleichzeitig bauten aber »Modellstatiker« wie beispielsweise Eduardo Torroja (1899-1961) in Spanien – später auch Frei Otto (1925-2015) und Heinz Isler (1926-2009) – mit Experimentalwissen herausragende Schalen- und Netzkonstruktionen. Bis in die 80er Jahre wurden Formen tatsächlich noch primär mit Modellen entwickelt, Berechnungsverfahren waren aber bereits seit den 60er Jahren, u. a. von John Hadji Argyris (1913-2004), an der TU Stuttgart vorangetrieben worden. Was von Hand viel zu aufwendig zu berechnen gewesen wäre – Rechnungen mit zigtausend Unbekannten –, ließ sich mit FE-Berechnungen mit vertretbarem Aufwand präzisieren.
Die Bad Dürrheimer Holzrippenschale würde heute vermutlich am Computer entworfen. Aber rückblickend muss man den damaligen Modellentwurf als Grundlage tadelloser Dimensionierung anerkennen, die Umsetzung wurde konstruktiv und bautechnisch gut durchdacht und das Bauwerk über Jahrzehnte von den Betreibern kontinuierlich gepflegt. Die Holzrippenschale darf als geeigneter Bautypus für ein Solebad gelten und gewinnt im Vergleich zu vielen neuen Wellnesstempeln an einzigartiger, formaler Kraft. Bemerkenswert sind allemal Haltbarkeit und Pflegeleichtigkeit des materialgerecht ausgeführten Konstruktionstypus. •
Ich danke Prof. Mike Schlaich für wichtige Hinweise zur Konstruktionsgeschichte.
Standort: Huberstraße 8, 78073 Bad Dürrheim
Literatur:
  • Fritz Wenzel, Bernd Frese und Rainer Barthel: Die Holzrippenschale in Bad Dürrheim. In: Bauen mit Holz 5/1987, S. 282-287
  • Wenzel, F. Frese, B. Barthel, R.: The timber ribbed shell roof in Bad Dürrheim. In: Structural Engineering Review 1/1989, S. 75-81

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