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DAM, Frankfurt a. M. – wiederbetrachtet 2016

… in die Jahre gekommen
DAM, Frankfurt a. M. – wiederbetrachtet 2016

Für das Jubiläumsjahr 2016 wurde die langjährige, beliebte und db-typische Rubrik »… in die Jahre gekommen« leicht modifiziert und erweitert: Betrachtet werden Gebäude, die bereits zu ihrer Entstehungszeit in der db gewürdigt wurden. Dem neuerlichen Abdruck des damaligen Artikels folgt die Wiederbetrachtung in Wort und Bild. So lässt sich fragen, wie sich Bau und Räume über die Zeit bewährt haben und welche Änderungen oder Anpassungen anstanden.
Auf diese Art lassen wir Monat für Monat ein Stück db- und Zeitschriftengeschichte Revue passieren. In dieser Ausgabe, mit dem Schwerpunktthema »Ausstellung gestalten«, richten wir den Blick auf das 1984 eröffnete Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt a.M. bzw. v.a. auf dessen Ausstellungsräume und verschiedene Ausstellungsinszenierungen. Im Themenschwerpunkt »Museen« widmete sich 1984 die Septemberausgabe der db neben anderen neuen Ausstellungsstätten auch ausführlich dem neueröffneten DAM. So erläuterte zum einen Architekt Oswald Mathias Ungers seine Entwurfsgedanken und zum anderen benannte der Kritiker Gerhard Ullmann in seinem Beitrag die — für die formale Stringenz der Architektur in Kauf genommenen — funktionalen Defizite des Gebäudes. Die Wiederbetrachtung und -bewertung des DAM hat Oliver Elser, der am Haus als Kurator arbeitet, für uns vorgenommen. ~uk

Architekt: Oswald Mathias Ungers

Kritik: Oliver Elser
Fotos: DAM: Uwe Dettmar, Fritz Philipp, Norbert Miguletz
Die Einweihung des Deutschen Architektur Museums (DAM) am 1. Juni 1984 zog ein »Massaker« in den Medien nach sich. Es hagelte Verrisse, von denen einige der Architektur, die meisten aber dem Sammlungskonzept und der ersten Ausstellung des Gründungsdirektors Heinrich Klotz galten. Auch der Text von Gerhard Ullmann in der db spart nicht mit Kritik: Unbeholfen-verkopfte Brüstungsgeländer, nüchterne Nottreppenhäuser und die gänzlich unbequemen Sitzmöbel im Auditorium werden aufgespießt. Noch schlimmer: Die Sammlung und ihre Präsentation in der Ausstellung »Revision der Moderne« straft der Autor durch Nichtbeachtung. »Über Harmlosigkeiten schreibt man nicht«, so Ullmann. Armer Klotz. Da hatte er doch in derselben Ausgabe der db die Gelegenheit erhalten, seinen Kritikern zu antworten. Und dann folgt wieder ein Verriss. Aber Klotz wollte es ja nicht anders. Streitbar, ja intellektuell raufsüchtig, hatte er sich nie mit der kunsthistorischen Lehrkanzel abfinden wollen, die er seit 1972 als ordentlicher Professor in Marburg dadurch ausfüllte, das er sich in die Baukonflikte seiner Zeit hinabstürzte: So war, beispielsweise, die Rettung der Marburger Altstadt vor dem Verfall für ihn kein Projekt, dass man der gerade erblühenden Denkmalpflege überlassen sollte, sondern ein Anlass, zeitgenössische Architekten wie O.M. Ungers, James Stirling oder Charles Moore an die Lahn zu holen, damit sie ihm ein Freiluft-Architekturmuseum der Gegenwart schaffen sollten. Das qualifizierte Klotz als »Macher«, dem man in Frankfurt die Gründung eines Architektur- und Kunstmuseums zutraute.
Seinen zahllosen Kritikern antwortete Klotz nicht nur in wütenden Manifesten, sondern auch mit einem schier unglaublichen Pensum von Ausstellungen und Erwerbungsbeutezügen zwecks Aufbau der DAM-Sammlung aus dem Nichts heraus. Fünf Jahre hatte er Zeit, parallel das Museum umzubauen, die Sammlung aufzutürmen, ein Jahrbuch herauszugeben und nebenbei noch gewichtige Bücher zu schreiben sowie weiterhin Vorlesungen in Marburg zu halten. Dann folgten fünf Jahre Museumsbetrieb mit etwa fünfzig Ausstellungen bevor sich Klotz 1989 als Gründungsdirektor des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) und der Hochschule für Gestaltung (HfG) nach Karlsruhe verabschiedete.
Da stand es führerlos, das DAM. Weiß, unpraktisch, die Architektur verkopft und ihres intellektuellen Kopfs beraubt. Oswald Mathias Ungers hatte Klotz einst geraten, er solle doch »den Bau leer lassen und sich für seinen Kram einen Schuppen nebenan suchen«. Dafür, dass die Eignung des Museums für Ausstellungen allein schon aus praktischen Gründen immer wieder infrage gestellt wurde, zeigt sich das DAM heute erstaunlich nahe am Originalzustand. Drei aus Kostengründen immer nur halbherzige Sanierungen (2000, 2007 und 2011) betrafen v. a. die Haustechnik. Die nächste steht 2019 an. Zuletzt wurde der Steinboden mit dem schwarz-weißen OMU-Quadratmuster ausgetauscht, das schon Generationen von Ausstellungsarchitekten in die Verzweiflung getrieben hat. Der Boden ist jetzt beheiz- und kühlbar (theoretisch), aber ansonsten visuell so aufdringlich wie eh und je. In der Halle im EG ist es seit 30 Jahren viel zu hell, um empfindliche Zeichnungen auszustellen. Egal, es gibt doch ohnehin keine Wände, um sie daran aufzuhängen! Die Realität ist aber, dass unzählige Male temporäre Wände hineingebaut und die umlaufenden Galerien mit ihren Lichtdächern mit Teppichboden oder Teichfolie von außen abgedeckt wurden, um dann schließlich doch jene Museumsbedingungen zu erreichen, die heutige Leihverträge zur Schonung der Exponate zurecht fordern.
› Skeptikern des Ungersbaus muss man entgegenrufen: Ja, stimmt, OMU war der »Meister des verstellten Raums« (so Ausstellungsarchitekt Wilfried Kühn), aber das Museum ist dann doch zu seinem Vorteil kein »White Cube«. Die Ausstellungsräume haben Charakter und fordern zu konzeptionellen Entscheidungen heraus: Wer je eine Ausstellung im obersten Stockwerk arrangiert hat, wo das »Haus im Haus« das Zentrum bildet, der wird dazu Stellung beziehen müssen, welches Exponat ins Allerheiligste vorgelassen wird. Max Dudler, na klar, ein Ungersschüler, hat die DNA dieses Raums einst genial geknackt, indem er große Fotos von Stefan Müller im OMU-Raster zerschneiden ließ. Die Gartenhalle im EG zwingt zur Entscheidung, wie man mit dem eingestellten Körper darin umgeht: Ignorieren, integrieren (Freiraumbezug!) oder die Ausstellung in zwei Kapitel zu gliedern versuchen? Das aufgrund mieser Akustik und unbequemer Stühle legendäre Auditorium bewährt sich bestens als Workshopfläche für das dichte Programm der Museumspädagogin Christina Budde. Bei den Feierlichkeiten zum 30-jährigen Jubiläum des DAM stellte sich zudem heraus, dass der Vortragssaal perfekt als Diskothek funktioniert: Umlaufende Fenster für die Beobachter der Tanzfläche, eine Showtreppe und eine Chill-out-Zone auf den Sitzstufen hat Ungers so entworfen, dass die Party mit Hits der 80er Jahre richtig gut wurde, wer hätte das gedacht?
Die spektakulärsten Inszenierungen in der Geschichte des DAM fanden nicht drinnen, sondern draußen vor der im Alltag eher abweisenden Sandsteinarkade statt. Klotz hatte schnell bemerkt, dass Ungers‘ Architektur trotz der Behauptung, sie erzähle vom Haus im Haus und der »Stadt in der Stadt«, zum realen Stadtraum hin recht schweigsam geraten war. Ein erster Versuch, dem Museum zu einem zeichenhaften Auftritt zu verhelfen, sollte mithilfe der »Nike« gelingen, einer Skulptur der österreichischen Architektengruppe Haus-Rucker-Co, die über dem Tiefkai des Mainufers direkt vor dem DAM schweben sollte. Einige Politiker wussten zu verhindern, dass Klotz sich mal wieder in die erste Reihe zu schieben drohte. Also ließ Klotz stets aufs Neue temporäre Installationen vor dem DAM realisieren: Eine El-Lissitzky-Rednertribüne von Eisele+Fritz, ein zackiges Hochhaus zur New York-Ausstellung oder überdimensionale Alltagsgegenstände zu einer großen Design-Ausstellung überwanden die Nüchternheit des OMU-Gebäudes. Mit schwindenden Budgets geriet diese Tradition ein wenig in Vergessenheit. Jetzt wurde die »Nike« wieder aufgestellt. Als Leihgabe in Linz, aber vielleicht landet sie eines Tages doch noch vor dem DAM.

Standort: Schaumainkai 43, 60596 Frankfurt a. M.

40148230

Unser Kritiker Oliver Elser hat durch seine Tätigkeit als Kurator am DAM ein geschultes Auge für die funktionalen und formalen »Eigenheiten« der Ausstellungsräume im Architekturmuseum am Frankfurter Mainufer.
Oliver Elser
Architekturstudium in Berlin, Architekturkritiker und Journalist in Wien. Heute Kurator am Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt a. M. 2012-13 Vertretungsprofessur für Szenografie an der FH Mainz. 2016 Kurator des Deutschen Pavillons auf der Biennale.

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