1984 war die Fertigstellung der neuen Staatsgalerie in Stuttgart von James Frazer Stirling (1924-92) sicher das Architekturereignis des Jahres. Schon vor der Eröffnung hatten sich Architektenkollegen, Kritiker und mehr oder weniger kundige Laien auf den »unseriösen, unökonomischen und verspielten Kunsttempel« geradezu gestürzt. Indem deutsche Architekten Stirling als Faschisten und Monumentalisten bezeichneten und sich die Stuttgarter Stadtväter vor Zuschriften, der Entwurf für die Erweiterung der Staatsgalerie sei zu »steinern, verschlossen und somit antidemokratisch«, über Monate kaum retten konnten, ließ man es an Deutlichkeit, was man von diesem Projekt zu halten habe, nicht fehlen.
Auch für die db war der am 9. März 1984 eröffnete Bau in Heft 03/84 Anlass zu einer ausführlichen, 12-seitigen Betrachtung und Diskussion aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Und mehr noch: Man widmete James Stirling und seinen Bauten und Projekten sogar den gesamten Schwerpunktteil der Ausgabe! Den Auftakt bildete eine kurze Darstellung der Faktenlage zur Staatsgalerie (s. S. 54); im Anschluss hielt der Autor Gerald R. Blomeyer ein Plädoyer für »mehr Konflikt und Kontroversen« in der Architekturdiskussion. Differenziert und abwägend ordnet er die Kritik und die z.T. aufbrausenden Positionen zu Architekturbeispielen der Postmoderne in den Kontext ähnlicher Auseinandersetzungen anderer Epochen ein. U.a. nimmt er den Vorwurf der Monumentalität an die Staatsgalerie auf und weist darauf hin, dass man diesen spätestens nach ihrer Fertigstellung revidieren muss: »Neben der geschlossenen Kiste der alten hat sich die Neue Staatsgalerie als (…) Gebäudelandschaft etabliert. (…) Filmkulisse und nicht Monomentalität ist der Eindruck jetzt, Witz anstelle schwäbischer Biederkeit.« Auch prangert er die unsachliche Unterstellung einiger Architektenkollegen an, Probleme an Stirlings Bibliothek in Cambridge ließen Rückschlüsse darauf zu, dass wir es auch hier mit einem vorprogrammierten, gebauten Bauschaden zu tun hätten. Beispiele aus anderen Zeiten seien schließlich ebenso betroffen – z.B. Eiermanns Gedächtniskirche, Scharouns Philharmonie oder Schülers ICC.
Neun Thesen stellt er am Schluss seines Beitrags zu Wert und Notwendigkeit von Architekturkritik auf. Darunter: Eine Berichterstattung wird nicht dadurch gut, dass sie ausgewogen ist, sondern dadurch, dass sie ihren Standpunkt verdeutlicht. Außerdem fordert er: Die Fachpresse solle mehr Mut zur Kontroverse beweisen!
Unsere dezidierten Standpunkte finden Sie in jeder Ausgabe der db, weitere Einblicke in die damalige Berichterstattung zur Neuen Staatsgalerie in diesem Heft, auf den Seiten 54 bis 59 ». ~uk
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