1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Architektur » Wohnungsbau »

Paragon Apartments in Berlin von GRAFT Gesellschaft von Architekten

Neues Wahrzeichen im mentalen Stadtplan
Paragon Apartments in Berlin

Im Stadtteil Prenzlauer Berg haben GRAFT Architekten ein Krankenhaus zum Wohngebäude umgebaut. Eine Aufstockung und ein Anbau von einprägsamer Gestalt vergrößern die Fläche von 12 000 auf 25 000 m2 — Läden, Kita und ein Café sorgen für eine breite Nutzungsmischung. Einen besonderen Beitrag zur Verdichtung leisten platzsparende 2-Zimmer-Wohnungen mit nur 38 m2.

Text: Falk Jaeger
Fotos: Stefan Meyer
Verdichten ist in Berlin derzeit das Gebot der Stunde. Die zahllosen Baulücken, die der Krieg hinterlassen hat, waren im Westteil der Stadt bis zur Wiedervereinigung weitgehend bebaut worden. Doch mit dem jüngsten, durch Zuwanderung und Niedrigzinsperiode ausgelösten Bauboom sind auch in Mitte und im Osten die Lücken geschlossen worden. Eines der vorherrschenden Themen ist nun Konversion von Gebäuden, für die es keine angemessene Nutzung mehr gibt und die nicht abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden (können), sei es aus Gründen des Denkmalschutzes, des Planungsrechts, oder weil sie einen zu hohen Wert darstellen und sich die Ertüchtigung lohnt. Paradebeispiel ist das Urban Krankenhaus von 1890, das jüngst durch eine Baugruppe in 120 Wohnungen umgewandelt wurde. Auch das Krankenhaus Prenzlauer Berg zwischen Danziger Straße und Fröbelplatz ist ein solcher Fall. Das stattliche viergeschossige Gebäude mit angedeutetem Mittelrisalit und zwei knappen Seitenflügeln war 1912 als preußische Kadettenanstalt errichtet, als solche jedoch nie betrieben, sondern als Krankenhaus genutzt worden. Im Jahr 2000 gab das Klinikum Vivantes den Standort auf. Nach fünf Jahren Leerstand erwarb ein Investor das Anwesen, doch die Umwandlung in Wohnungen sowie die Erweiterungen der Seitenflügel blieben im Baustadium stecken. Nach weiteren fünf Jahren Stillstand übernahm 2013 ein anderer Investor das Projekt und beauftragte GRAFT Architekten, den Umbau zu Ende zu bringen und die Grundstücksausnutzung durch weitere Bauteile kräftig zu erhöhen.
Überformung des Bestands
217 Wohnungen sind es letztlich geworden, die zu Preisen zwischen 14 und 19 Euro pro Quadratmeter nicht eben als Sozialwohnungen vermietet werden. Eine Kindertagesstätte, ein Café und ein Bio-Supermarkt ergänzen das Raumprogramm.
Kern des Bauvorhabens ist das im Blockinnenbereich liegende ehemalige Krankenhaus. Zunächst wurde das voluminöse Steildach abgebaut und durch zwei Wohngeschosse ersetzt. Die beiden südlichen, knapp zehn Jahre alten Anbauten des Vorgängerprojekts wurden ebenfalls umgebaut und aufgestockt. Durch die Angleichung der Architektursprache der Auf- und Anbauten sowie der Neubautrakte gelang es, der Gesamtanlage ein geschlossenes, einheitliches Gepräge zu geben. Der Bestandsbau war zwar nicht in denkmalpflegerischen Sinn als Baukörper zu erhalten und wurde in die Baukonzeption des Projekts integriert, bleibt aber mit seiner Lochfassade, den regelmäßigen Fensterachsen und der Sprossenteilung als solcher von außen erkennbar. Leider mussten aus Kostengründen die neu eingebauten Fenster des Vorgängerprojekts mit unschönen innenliegenden Kunststoffteilungen (»Sprossen in Aspik«) beibehalten werden. Das Hauptportal, mit einem neuen Vordach versehen, ist Hauptzugang geblieben. Auch im Inneren ist der Charakter des Altbaus in Teilen zu erleben. Im Hochparterre gibt es noch die breiten, überwölbten Flure. Die Schultreppenhäuser sind erhalten und restauriert, samt schmiedeeisernen Treppengeländern. Von besonderem Reiz sind die für Wohnungen ungewöhnlichen Geschosshöhen. Ein Problem, das das Vorgängerprojekt unwirtschaftlich gemacht hatte, konnten die GRAFT Architekten ganz pragmatisch lösen. Die überbreiten Schulflure wurden bei der Neuordnung der Obergeschossgrundrisse den Wohnungen zugeschlagen. Als Schlafbereich genutzt, bietet der ehemalige Flur ausreichend Platz für ein 1,80 Meter breites Bett. Dem ungewöhnlichen hochrechteckigen Raumzuschnitt begegneten die Architekten, indem sie dort jeweils eine Wand ganz-flächig mit Spiegelglas besetzten. Im Endeffekt ergaben sich im ehemaligen Krankenhaus interessant geschnittene, effektiv nutzbare Wohnungen mit einem besonderen Kick, die rasch ihre Abnehmer fanden.
Offener Blockrand, loftähnliches Wohnen
Am halböffentlichen Durchgang durch den Bestandsbau, der den südlichen mit dem nördlichen Gartenhof verbindet, liegt auch die vom Hausmeister betriebene und allen Mietern zugängliche Lounge mit Terrasse für Familien- und Nachbarschaftsfeiern. Die elegante Einrichtung – ein Kamin, eine Bibliothek – zeigt typisches GRAFT-Design in dynamischen Formen.
Bei der Ergänzung des Ensembles durch Neubauteile war das Ziel, die entstehenden begrünten Höfe offen zu lassen. Der neue Trakt, der an der Südseite entlang der Danziger Straße an die nachbarliche Blockrandbebauung anschließt, wurde nicht bis zum westlichen Blockrand weitergeführt. Der kleine Park an der Kreuzung zur Prenzlauer Allee blieb also erhalten, wird zum grünen Eingangsbereich mit Sitz- und Spielmöglichkeiten und dem 50er-Jahre-Brunnen »Kinder unterm Regenschirm«. Diesen Namen hat die angrenzende Kita übernommen, die von dem Grünbereich ebenso profitiert wie das Café. Der kleine Park steht mit dem geschützteren Innenhof in Verbindung. Die Freifläche an der Nordseite wiederum geht in den angrenzenden Fröbelpark über, sodass die Wohnungen des Projekts einen starken Grünbezug haben.
Die neu errichteten Gebäude bieten verschiedene Wohnungstypen an, von kompakten 2-Zimmer-Einheiten bis zu großzügigen Maisonettes. Wohn- und Schlafbereich des als Grundmodul entwickelten, räumlich extrem reduzierten 37,5-m²-Typus´ sind durch eine Schiebetür getrennt. Das Bad liegt wie ein Möbel dazwischen und ist von beiden Seiten zugänglich. Die Außenwände der Wohnräume bestehen mehrheitlich aus raumhohen Fensterflächen und bieten Stadtgefühl pur. So soll trotz der Beengtheit ein loftartiges Wohngefühl entstehen. Noch groß-zügiger wirken die Maisonettewohnungen, die sich schon von außen durch die zweigeschossigen Balkone mit ihren Beton-rahmen abzeichnen.
Ablesbarer Wohnungsmix
Die zimmerbreiten Rahmen, die als Fertigteile angeliefert wurden, treten bei wechselnder Balkontiefe unterschiedlich hervor. Sie wirken wie Bilderrahmen in »St. Petersburger Hängung« und sind das bestimmende Element der Fassaden. Sie sind pixelartig arrangiert, wobei sich das Muster vom expressiven Kopf des Gebäudes entlang der Straße beruhigt und als normale Stockwerksgliederung an das ältere Nachbargebäude anschließt. Mit ihrer differenzierten Vielgestalt bilden die Fassaden die unterschiedlichen Wohnungstypen und -größen ab und sollen Sinnbild sein für die durchmischte Stadt, die von Singles und Familien, von Jungen und Alten in enger Nachbarschaft belebt wird. Das Pixeldesign ist auch Gestaltungsmerkmal der Auf-stockung des Bestandsbaus wie auch der Anbauten und des Neubauteils am rückwärtigen Fröbelpark. Es bestimmt das Bild des gesamten Projekts und verleiht ihm einen einheitlichen, bei aller Diversität homogenen Charakter.
Aus der Kadettenanstalt, die als Solitär in grünem Umfeld stand, ist ein hoch aktiver und verdichteter Stadtbaustein geworden. Ein Baustein, der gestalterisch aus dem langweiligen Einerlei der gegenwärtigen Wohnbauroutine ausbricht und mit seiner signifikanten Erscheinung in der exponierten Lage an einer belebten Hauptstraßenkreuzung ein stadtgestalterisches Merkzeichen darstellt. Das Paragon wird auf den mentalen Stadtplänen fast aller Bürger als Orientierungspunkt seinen Platz einnehmen. Vielleicht ist dann auch der großartige Name (griechisch für »Ideal, Muster, Quintessenz«) für ein Wohnbauprojekt ein wenig gerechtfertigt.

Standort: Danziger Straße 73–77, 10405 Berlin

Bauherr: Trockland Management
Architektur: GRAFT Gesellschaft von Architekten, Berlin, Projektleitung: Dennis Hawner, Anja Frenkel
Mitarbeit: Alfredo Peñafiel Suarez, Ana Maria Galvez Castillo, Andrea Göldel, Christian Litz, Maria Angeles Orduña, Sascha Krückeberg, Sebastian Gernhardt, Sonja Wedemeyer, Victor Pricop
Vermessung: Dipl. Ing. Gabriele Zimmerman, Berlin
Tragwerksplanung: BuroHappold Engineering, Berlin,
TGA Planung: Steffen Gröhst Beratender Ingenieur, Berlin
Brandschutz: hhp Berlin, Berlin
Bauphysik: Dr. Günther Sawatzky, Berlin
Akustik + Schallschutz: Moll Akustik Ingenieurbüro, Berlin,
Beleuchtungsplanung: Licht Kunst Licht, Berlin, Landschaftsplanung: Planungsbüro Haan, Berlin,
BGF: 12 097 m²
BRI: 25 123 m³

Beteiligte Firmen:
Balkonrahmen aus Beton: Allton Fertigteile, www.allton-online.de
Glasgeländer: Fence OF-100 von Feal, www.feal-deutschland.de
WDVS: Heck-Str-U von Heck Wall Systems, www.wall-systems.com

GRAFT Gesellschaft von Architekten
Lars Krückeberg
Architekturstudium in Braunschweig und Florenz, 1996 Diplom. 1998 Gründung von GRAFT, 1999 Master in Los Angeles. 2008-11 Gastprofessuren in Aachen und Düsseldorf, seit 2011 an der HCU Hamburg.
Wolfram Putz
Architekturstudium in Braunschweig, 1992 Diplom. 1998 Master in Los Angeles, Gründung von GRAFT. 2008-11 Gastprofessuren in Aachen und Düsseldorf.
Thomas Willemeit
1997 Diplom in Braunschweig. Master am Bauhaus Dessau. 1998-2000 Mitarbeit bei Daniel Libeskind, Berlin. Gründung von GRAFT. 2008-11 Gastprofessuren in Aachen und Düsseldorf.

Aktuelles Heft
Titelbild db deutsche bauzeitung 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de