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25 Jahre Ingenieurporträts. Ein Rückblick.

25 Jahre Ingenieurporträts
Licht aus, Spot an, auf den Ingenieur!

Seit 25 Jahren stellt die db bedeutende Konstrukteure ins Rampenlicht. Den Auftakt machte Wilfrid Dechaus Beitrag in db 4/1999 »Von Arup bis Zollinger«. Seitdem sind insgesamt 34 Porträts erschienen. Ein Rückblick.

Text: Falk Jaeger
Fotos: Jim Henderson, Falk Jaeger u. a.
»Der Tragwerksplaner, das unbekannte Wesen«, war eine Gesprächsrunde überschrieben, die jüngere Mitarbeiter von drei großen Stuttgarter Ingenieurbüros zusammenführte, um sie über ihre Erwartungen, ihre Haltung und ihre Berufspraxis zu befragen. Es war der Schlüsselbeitrag eines db-Schwerpunkts in 5/2008 zur Tragwerksplanung, eines Themenbereichs, dem sich die db in regelmäßigen Abständen widmet. Dazu gehörten auch die Ingenieurporträts, für die immerhin fünf bis sieben Seiten zur Verfügung stehen.
1999 begründete der damalige Chefredakteur Wilfried Dechau die Einführung der Reihe mit der Erkenntnis, dass die Arbeit und die Leistungen der Ingenieure selten Erwähnung finden und dass selbst die bedeutendsten und innovativsten Ingenieure einer breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt sind. Er nennt eine Reihe von Namen wie Franz Dischinger, Richard Buckminster Fuller, François Hennebique, David Jawerth, Elisha Graves Otis, Max Mengeringhausen, Arthur Vierendeel, Friedrich Zollinger und viele weitere, die nicht einmal im Großen Brockhaus Erwähnung fanden, der »schonungslos, klar und nüchtern den Wissens- und v. a. den Bewusstseinsstand der Gesellschaft« widergebe.
Die Informationslage hat sich freilich grundlegend geändert. Der Große Brockhaus steht nur noch bei älteren Herrschaften imposant und dekorativ im Bücherregal. Wir googeln, befragen Wikipedia und insbesondere das Ingenieurportal structurae.de. Und da erhalten wir z.B. beim Suchwort »David Jawerth« Tausende von Treffer (einschließlich des Hinweises auf Wilfried Dechaus Einführungsartikel vom April 1999). Da finden wir Polonceau samt Abbildung seines Polonceau-Binders, Heinrich Gottfried Gerber, den Erfinder des Gerberträgers und selbst den Berliner Maurermeister Carl Rabitz, der 1878 das Patent für die nach ihm benannte Deckenputzkonstruktion anmeldete. Die Primärinformationen, die Links und Verweise sind also heute leicht zugänglich. Der Bewusstseinsstand der Öffentlichkeit in Bezug auf das Bauingenieurwesen und seiner Protagonisten freilich hat sich seit Brockhaus-Zeiten wohl nicht geändert.
»Ingenieurbaugeschichte schreibt sich nicht von selbst«
Die Ingenieurporträts sind beides, Vorstellung herausragender Persönlichkeiten und deren Leistungen sowie die Würdigung bedeutender Werke des Bauingenieurwesens. Personality-Artikel also, wie das Genre in der Publizistik heißt, aber in diesen Fällen verbunden mit einem Werben für das Metier, den ganzen Berufsstand. Personality Stories sind in anderen Lebensbereichen gang und gäbe, in Politik, Wirtschaft und Kultur. Schauspieler, Musiker, Künstler und Literaten erlangen auf diese Weise Popularität, aber durchaus auch Wissenschaftler, Nobelpreisträger beispielsweise. Bei Architekten hilft manchmal der Glamour-Faktor, sie zum »Stararchitekten« hochzujazzen. Einige Baukünstler haben es zum Darling der Yellow Press gebracht. Seriöser geht die »Publikumsfachzeitschrift« HÄUSER vor, die ihren Lesern seit fast vier Jahrzehnten »Menschen, die Baugeschichte machen« mit umfangreichen Porträts historischer und aktueller Architekten vorstellt. Aber Menschen, die Ingenieurgeschichte machen? Die wurden und werden wohl nur von der deutschen bauzeitung regelmäßig und ausführlich (und angemessen, wie wir meinen) gewürdigt, doch dies leider nur für ein Fachpublikum.
Dechau formulierte noch einen umfassenden Anspruch, mit dem die Porträts »Die Geschichte der Bauingenieure aufarbeiten« sollen. »Bei den Porträts sollen nicht nur die technisch-wissenschaftlichen Facetten beschrieben werden, sondern auch die ökonomischen, politischen, sozialen Begleitumstände, die zum Verständnis mancher Technik-Entwicklungen unbedingt dazugehören«. Vielleicht war dieser Ansatz der damaligen Situation geschuldet etwas weit gegriffen, jedenfalls haben sich die meisten Autoren der Porträts um die gesellschaftswissenschaftlichen Begleitumstände der ingenieurtechnischen Entwicklung ein wenig gedrückt. Stattdessen kamen biografische Aspekte hinzu und zuweilen, wenn der Autor den Protagonisten persönlich kannte, eine Vorstellung von jenem Menschen, der sich in der Kunst des Konstruierens so hervorgetan hatte. Peer Haller z. B. stellte uns Julius Natterer vor, bei dem er an der ETH Lausanne Assistent gewesen war.
So haben denn im Lauf der Zeit zahlreiche Konstrukteure ihre Würdigung erfahren. Etwa die Namensgeber besonderer Konstruktionen. Wer wüsste nicht gerne, was es mit der Schwedler-Kuppel auf sich hat. Und wer es weiß, dem ist auch klar, weshalb es geboten ist, die letzten Exemplare, etwa die beiden Rundlokschuppen in Berlin, zu schützen und zu erhalten (s. Abb. 5). Für die Technikgeschichte sind die Kuppeln des Ingenieurs bedeutsam, weil sie erstmals räumliche Lastabtragung demonstrierten und für große Spannweiten extrem wenig Eisen benötigten. Johann Wilhelm Schwedler (1823–94) gilt als der bedeutendste Protagonist des konstruktiven Ingenieurbaus der deutschsprachigen Länder in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Warum das so ist, macht der Ingenieur Jan Knippers deutlich: Nicht mehr das Experiment, sondern die wissenschaftlich-systematische Denkweise und die Berechnung kennzeichneten Schwedlers neue Denkweise. Knippers hatte sich erkennbar grundlegend mit Schwedlers Werk und Wirken auseinandergesetzt und es gelingt ihm didaktisch glänzend, die Materie zu vermitteln. Und er bringt Kritik ein: Schwedlers Priorität der Berechnung habe auch zu Verarmung geführt und von der Vielfalt und Kreativität der frühen Eisenbahnbrücken nicht viel übrig gelassen. Deshalb und weil Jan Knippers auch die gesellschaftliche Bedeutung Schwedlers hervorkehrt, gehört sein Ingenieurporträt (db 4/2000) zu den Höhepunkten der Serie.
Porträtierte und Autoren
Immer wieder gelang es, namhafte Ingenieure als Autoren für die Porträts zu gewinnen (die zu porträtieren vielleicht schon selbst anstehen könnte). Denn was liegt näher, als den Hochhauskonstrukteur von SOM Fazlur Khan von Seinesgleichen porträtieren zu lassen? So fiel Werner Sobek diese Aufgabe zu (db 5/2008). Jörg Schlaich findet sich ebenso unter den Autoren (über Mamoru Kawaguchi, db 4/2006) wie Sohn Mike Schlaich (Eduardo Torroja, db 8/1999), wie Karl Kordina (Franz Dischinger, db 2/2005), Jürg Conzett (Heinz Hossdorf, db 12/2003) und Annette Bögle (Peter Rice, db 8/2005 und Pier Luigi Nervi, db 8/2006, s. Abb. 4 »Salone principale« in Turin). Letztere eine der fünf Frauen unter den bisher 30 Autoren.
Hin und wieder kam auch ein Fachjournalist zu Wort, Christian Brensing (Ove Nyquist Arup, db 12/2006), Karl Eugen Kurrer (Max Mengeringhausen, db 10/2004, s. Abb. 1 Mero-Knoten) sowie der Autor dieses Beitrags (Frei Otto, db 6/2005, s. Abb. 2 Deutscher Pavillon für die Expo 1967 in Montreal; Eladio Dieste, db 10/2011 und Félix Candela, db 5/2014).

Dass der »Ingenieur« des Londoner Kristallpalasts von 1851 als Obergärtner von Chatsworth zuvor Gewächshäuser gebaut hatte, ist sicher allgemein bekannt. Dass er sie regelrecht entwickelte, und wie er das tat, welche Bausysteme dabei herauskamen und wie der Kristallpalast (s. Abb. 3) im Detail aussah, stellt uns Jens Schneider vor (db 12/2005), der selbst mit einer Arbeit zum konstruktiven Glasbau promoviert wurde und somit gewissermaßen in der Nachfolge Paxtons steht.

Filmreif
So manches Ingenieurleben liefert als solches bereits Stoff für dramatische Geschichten. Der in Thüringen gebürtige Johann August Röbling, der sogar mit einer deutschen Briefmarke geehrt wurde, führte ein solches Leben. Seine Geschichte wurde auch eindrucksvoll verfilmt, einschließlich seines dramatischen Unfalls mit Todesfolge beim Bau seines Hauptwerks, der Brooklyn Bridge in New York (s. Abb. 7). Auch sein Sohn und Nachfolger Washington verunglückte in den Caissons bei der Pfeilergründung und erlebte die Einweihung im Rollstuhl. »Seine Frau Emily hatte in den letzten Jahren die Aufsicht über die Bauarbeiten übernommen: Damit vollendete eine Frau den vielleicht größten Ingenieurbau des 19. Jahrhunderts«, endet Andreas Kahlow sein Porträt über den Pionier der Drahtseil-Hängebrücken (db 10/2002).
Kahlow beleuchtet auch die Ausbildung Röblings, den damaligen Stand der bautechnischen Wissenschaft sowie Röblings Beitrag zu deren weiteren Entwicklung und stellt damit unter Beweis: Die Ingenieurporträts der db sind durchaus auch unterhaltsame Beiträge zur Geschichtsschreibung des Bauingenieurwesens.

Als Autor für das Resümee über die Ingenieurporträtreihe kam kein besserer als Falk Jaeger infrage, schließlich hat er selbst einige der Artikel verfasst und brauchte zur Bearbeitung seines Rückblicks auch keine weiteren Beiträge übermittelt zu bekommen – denn er hat alle db-Ausgaben ab 1980 im Archiv.

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