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Feuerwehrhaus mit Veranstaltungssaal in Vierschach (I)

Die Tore auf, es brennt im Tal
Feuerwehrhaus mit Veranstaltungssaal in Vierschach (I)

Als auffällig unauffälliger Monolith aus rotbraunem Sichtbeton präsentiert sich das Feuerwehrhaus der Architekten-Brüder Alexander und Armin Pedevilla im Südtiroler Ort Vierschach. Durch die konsequente Ausrichtung des Projekts zu zwei Seiten hin und die klare Funktionstrennung kommuniziert das Gebäude zielgerichtet mit seiner Umgebung.
Architekten: Pedevilla Architects
Tragwerksplanung: Ingenieurteam Bergmeister
Kritik: Ulrike Kunkel
Fotos: Gustav Willeit
Im 400-Seelen-Ort Vierschach, in der Gemeinde Innichen im Hochpustertal, gut 30 km östlich von Bruneck, befindet sich auf 1 130 m das neue Feuerwehrhaus mit Fahrzeughalle und Schulungs- bzw. Veranstaltungssaal für Feuerwehr und Gemeinde zugleich. Das Hochtal der Dolomiten ist UNESCO Welterbe und wird vom üppigen Grün der Wiesen und Wälder und natürlich vom weißen Dolomitengestein geprägt. Von den rund 400 Einwohnern Vierschachs engagieren sich 50 in der freiwilligen Feuerwehr – ein Nachwuchsproblem gibt es nicht. Nachdem das alte Feuerwehrhaus längst nicht mehr den räumlichen und technischen Ansprüchen genügte, schrieb die Gemeinde bereits 2011 einen einstufigen Wettbewerb für ein neues Gebäude aus.
Eigenständiger Monolith
Der lang gestreckte, monolithische Neubau aus rot pigmentiertem Leichtbeton liegt an der Staatsstraße, durch einen leicht ansteigenden Vorplatz respektvoll von ihr zurückgesetzt. Zumindest sommertags, wenn sich nicht, wie auf den gezeigten Fotos, der Schnee gnädig über das heterogene Umfeld aus undefinierten Freiflächen und verstreut liegender Bebauung legt, kann man das Feuerwehrhaus fast übersehen; zumal es, durch den Höhensprung des Geländes aus kaum einer Perspektive mit seinem gesamten Volumen in Erscheinung tritt. Dass der Entwurf diesen Höhenunterschied so geschickt löst und sich zunutze macht, trägt ganz wesentlich zur Qualität des Projekts bei und führte u. a. dazu, dass sich das Architekturbüro Pedevilla Architects zusammen mit dem Ingenieurteam Bergmeister gegen elf andere Büros im geladenen Wettbewerb durchsetzen konnte. Eine weitere Qualität liegt in der konsequenten Nord/Süd-Ausrichtung und der übersichtlichen Gliederung des Gebäudes sowie der klaren Funktionstrennung und -zuordnung: Auf der unteren Ebene, nach Süden hin, ist die Fahrzeughalle mit der breiten Ausfahrt für die Feuerwehrautos und einem Übungsplatz davor angeordnet, darüber befindet sich der nach Norden ausgerichtete und nur von der oberen Ebene aus zugängliche Saal. Hinzu kommen auf beiden Geschossen Serviceeinrichtungen, die die jeweiligen Bereiche unabhängig voneinander machen. Die Ebenen mit ihren Vorplätzen werden über eine ins Gebäudevolumen integrierte, außenliegende und somit öffentliche Wendeltreppe aus pulverbeschichtetem Stahl miteinander verbunden.
Die sich ergebenden zwei Hauptfassaden des Feuerwehrhauses sind im Wesentlichen identisch aufgebaut: mit einem breiten gläsernen Fenster- bzw. Türband, das sich nahezu über die gesamte Gebäudelänge zieht, und einer geschlossenen Fläche aus rotbraunem Beton darüber. Die wenigen weiteren Öffnungen sind nicht verglast und ebenfalls in Rotbraun gehalten, was den monolithischen Charakter des Gebäudes stärkt. Dem Wunsch der Gemeindevertreter, auch ein Fenster gen Ortschaft, mit Blick auf die Kirche zu haben, wurde von den Architekten nachvollziehbarer Weise nicht entsprochen, um das Erscheinungsbild und die eindeutige Orientierung des Entwurfs nicht zu verwässern. So kommuniziert der Bau ausschließlich zu den beiden Vorplätzen hin, unten über die Falttüren der Fahrzeughalle und den direkt anschließenden verglasten »Kommandoraum«, oben über die gläserne Saalseite, die die Gliederung der Fahrzeughallen-Fassade aufnimmt.
Manuell, nicht automatisch
Die Falttüren sind Standardanfertigungen, die, was den Architekten sehr wichtig war, bündig eingesetzt wurden. Die Farbe der pulverbeschichteten Metallprofile orientiert sich am rotbraunen Ton des Betons. Die Türen sind leicht zu handhaben und werden manuell bedient. Um einen natürlichen Wetter-, in dieser Lage v. a. Schneeschutz zu erhalten und die Funktionsfähigkeit der Falttüren jederzeit zu gewährleisten, ist die Tür-Ebene einen Meter zurückgesetzt. Der Übergang zum asphaltierten Vorplatz ist niveaugleich. Die Dreifachverglasung kann man durchaus infrage stellen, so merkte auch Alexander Pedevilla an, da die Tore ohnehin nicht 100-prozentig dicht abschließen. Die im gesamten Gebäude eingesetzten braun getönten Gläser fungieren als Sonnen- und als Blendschutz und lassen das Gebäude kompakter und geschlossener erscheinen.
Um das Feuerwehrhaus eindeutig als Funktionsgebäude zu kennzeichnen und ihm ein monolithisches Erscheinungsbild zu geben, es aber nicht als Fremdkörper in seiner Umgebung wirken zu lassen, fiel die Entscheidung auf Rotbraun pigmentierten Sichtbeton für innen und außen. »Das Material und der durchgängige Einsatz einer naturnahen Farbe, über die sich das Gebäude in die Umgebung einfügt, waren bereits während der Wettbewerbsphase klar«, so Alexander Pedevilla. Was zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war, dass für die Außenhülle Konstruktionsleichtbeton zum Einsatz kommen würde. Doch erfreulicherweise trug die Gemeinde die Idee mit. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten, die v. a. witterungsbedingt waren, bekam die ausführende Firma, die bisher noch keine Erfahrungen beim Einsatz von konstruktivem Leichtbeton hatte, ein überzeugendes Ergebnis hin. Der Beton erhält durch den Zusatz von Blähton als künstlichem Leichtzuschlag hochwärmedämmende Eigenschaften, wodurch keine weiteren Dämmmaßnahmen erforderlich waren. Neben der tragenden Funktion übernimmt der mit roten Eisenoxidpigmenten gefärbte Sichtbeton, der am Ende fein abgeschliffen und hydrophobiert wurde, auch die Aufgabe der frostsicheren Fassade. Aus Gründen der geforderten Energieeffizienz ergaben sich 60 cm dicke Stahlbetonwände für die Gebäudehülle; in den stützenlosen Räumen wurden Trägerspannweiten von 27 m realisiert, auch für konstruktiven Leichtbeton eine gewisse Herausforderung.
Die »Stube«
Kommt man aus der einheitlich rot gehaltenen Fahrzeughalle über die ebenfalls rotbraune Wendeltreppe nach oben in den Saal, riecht man den Unterschied förmlich: nicht Beton, sondern Zirbenholz prägt das Raumerlebnis hier. Bis auf die Fensterfront, sind Wand, Decke und Boden damit bekleidet. Die Architekten wollten, obwohl der Raum immerhin 100 Personen fasst, die heimelige Atmosphäre einer Südtiroler Stube erzeugen. Und das ist durchaus gelungen! Akustisch wirksame Maßnahmen, eine kontrollierte Lüftung und die Fußbodenheizung unterstützen die wohlige Ausstrahlung. Die Besonderheit ist ein großer Vorhang aus hellgrauem, heimischen Loden, mit dem sich die gesamte Fensterseite »schließen« lässt.
Mit dem Feuerwehrhaus in Vierschach ist den Architekten-Brüdern aus Bruneck, die ihre Entwürfe, wie Alexander Pedevilla erzählt, zunächst stets gemeinsam entwickeln, bevor in Ausarbeitung und Umsetzung jeder eigene betreut, wieder einmal ein bemerkenswert konsequentes Stück Architektur gelungen, das ortsbezogen und eigenständig zugleich ist.

Standort: Jaufenstraße, I-39038 Vierschach
Bauherr: Marktgemeinde Innichen
Architekten: Pedevilla Architects, Bruneck
Mitarbeiter: Reinhard Unterpertinger
Tragwerksplanung: Ingenieurteam Bergmeister, Vahrn
Planung, Bauleitung und Projektleitung: Pedevilla Architects, Bruneck undIngenieurteam Bergmeister, Vahrn
BGF: 736 m²
BRI: 3 540 m³
Baukosten: 1,6 Mio. Euro
Bauzeit: August 2014 bis Januar 2016

Beteiligte Firmen:

40230652

Unsere Chefredakteurin Ulrike Kunkel war, bei ihrer Besichtigung mit Alexander Pedevilla, von der hohen handwerklichen Qualität besonders angetan und erfreut darüber, dass so viele Südtiroler Produkte zum Einsatz kamen.

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