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Autark vom Energieversorger?

Regenerative Wärmeerzeugung
Autark vom Energieversorger?

Gerade im Zeitalter der zur Neige gehenden fossilen Rohstoffe machen sich Bauherren verstärkt Gedanken über eine alternative Generierung von Heiz- und Kühlenergie. Ermuntert durch etliche Förderprogramme wächst glücklicherweise das Interesse an nachhaltigen und insbesondere wirtschaftlichen »Modellen« zusehends. Die EnEV oder das EEG und die aggressive Vermarktung diverser Anbieter tun ihr Übriges. Neben der bekannten Solarthermie- oder Geothermienutzung in Verbindung mit Wärmepumpen drängen nun auch noch weitere Alternativen auf den Markt.

Text: Hartmut Möller Fotos: Olaf Mahlstedt, Werner Huthmacher u. a.

Die Erzeugung von Energie aus regenerativen Quellen ist älter, als man vielleicht zunächst vermuten würde – schließlich hatten unsere Vorfahren, schon lange bevor es uns möglich war, dank Öl, Gas oder Kohle ein komfortables Leben zu führen, im Grunde mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Ein frühes Beispiel etwa ist die Nutzung von Solarthermie: Von jeher wurden Fenster und Türen in der Gebäudehülle bewusst so positioniert, dass viel Sonnenenergie gewonnen werden konnte. Das Gewächshaus und der Wintergarten sind gleichfalls typische Anwendungen mit dem Ziel einer möglichst hohen solaren Ausbeute. Heute erfolgt zusätzlich eine Speicherung der über Solarkollektoren gewonnenen Wärmeenergie durch thermochemisches Abbinden und zeitversetztes Freisetzen der Wärme über sogenannte Pufferspeicher. Etliche ehemalige Marktanreizprogramme des BAFA wurden mittlerweile allerdings gestoppt [1].
Auch die Geothermie, die Nutzung der Temperatur aus dem Erdinneren, zählt inzwischen zur beliebten Heiz- und Kühl-Alternative. Bei der oberflächennahen Heizwärmegewinnung kommen dabei Wärmepumpen zum Einsatz.
WUNDERWAFFE WÄRMEPUMPE
Diese erleben – seit einem kurzen Boom in den 70er Jahren – zurzeit eine regelrechte Renaissance. Im Neubaubereich soll ihr Marktanteil bereits bei etwa 20 % liegen [2]. Im Prinzip funktionieren sie wie ein Kühlschrank, nur in umgekehrter Richtung: Über einen Primärkreis wird der Umgebung Wärme entzogen und diese mittels eines Trägermediums (aus Frostschutzgründen in der Regel ein Wasser-Glykol-Gemisch) der Wärmepumpe zugeführt. Die so gewonnene Wärme hat allerdings nur eine geringe Temperatur und wird anschließend auf ein höheres Niveau »gepumpt« – der hierfür benötigte Kompressor bedarf eines Antriebs durch Strom oder Gas (seltener auch Öl) – und dann an das Heiz- bzw. Warmwassersystem abgegeben. Als Wärmequellen kommen drei Möglichkeiten in Betracht:
  • das Grund- oder Abwasser (Wasser-Wasser- Wärmepumpe),
  • das Erdreich (Sole-Wasser-Wärmepumpe, mittels Sonden über vertikale Bohrungen oder mittels horizontaler Kollektoren) oder
  • die Außenluft und/oder Abluft (Luft-Wasser-Wärmepumpe).
Abhängig von den lokalen Gegebenheiten ist natürlich nicht jedes Modell überall einsetzbar. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Wasser-Wasser-Wärmepumpe die höchste, die Luft-Wasser- Wärmepumpe die geringste Effizienz erzielt. Allerdings ist letztgenannte unabhängig von geologischen Bedingungen einsetzbar und in der Anschaffung sowie durch einfache Installation auch die günstigste Variante. Die Investitionskosten für ein Einfamilienhaus schwanken zwischen 9 000 und 15 000 Euro plus dem finanziellen Aufwand für eventuelle Bohrlöcher, wasserrechtliche und geologische Gutachten oder Brunnenanlagen.
Richtwerte
Maßgebend für eine Bewertung ist die Jahresarbeitszahl (JAZ), die das Verhältnis der über ein Jahr ins Heiznetz, ggf. auch ins Warmwassersystem abgegebenen Wärmeenergie zu der in gleicher Zeit benötigten elektrischen Energie angibt (alle Stromverbraucher, d. h. unter Umständen auch die Sole- und Brunnenpumpen sowie evtl. der elektrische Heizstab müssen dabei erfasst sein). Der wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Betrieb verlangt eine JAZ von mehr als 3,3.
Die Leistungszahl, englisch COP (Coefficient Of Performance), aus dem Verhältnis der an das Heiznetz abgegebenen Heizleistung in kW zur benötigten elektrischen Leistung der Wärmepumpe in kW sollte ebenfalls aus Gründen der Wirtschaftlichkeit deutlich über 4 liegen.
Betriebsweisen von Wärmepumpen sind entweder monovalent (als alleiniger Wärmeerzeuger für den gesamten Heizungs- und Warmwasserbedarf), bivalent (durch zusätzliche Wärmeerzeuger) oder monoenergetisch (wenn der zusätzliche Wärmeerzeuger ein elektrischer Heizstab und Strom somit der einzige Energieträger ist).
Ernüchternde PRAXIS
Die Verbraucherzentralen sehen den aktuellen Trend eher skeptisch – ihre Bilanz ist daher ernüchternd: Häufig seien die Angebote der auszuführenden Firmen unvollständig, die Anpreisung der Produkte bisweilen unseriös. Außerdem benötigen die meisten Wärmepumpen Strom (der im Übrigen nicht immer regenerativ gewonnen wird), sodass bei den zu erwartenden Einsparungen erhöhte Stromrechnungen (gerade bei besonders niedrigen Außentemperaturen) und Wartungen oft nicht berücksichtigt werden. Da die neuen Systeme in den Anschaffungskosten deutlich teurer als vergleichbare Öl- oder Gasbrennwertheizungen sind, herrscht über die gesamte Lebenserwartung bei den aktuellen Energiepreisen etwa Kostengleichstand.
Auch sollte hinsichtlich der CO2-Emission – wie in vielen weiteren vermeintlich umweltfreundlichen Fällen – der Herstellungsprozess von Wärmepumpen nicht außer Acht gelassen werden. Oft wird nicht bedacht, dass der Wirkungsgrad bei der Stromerzeugung nur ca. 35-40 % beträgt und auch der zur Stromgenerierung anfallende Kohlendioxid-Ausstoß wird meist komplett unterschlagen. Frank Polzin vom Büro Energie Ingenieure in Hannover äußert sich entsprechend kritisch: »Anders als beim Neubau würde ich unseren Kunden für Bestandsbauten aus wirtschaftlichen Gründen keine Wärmepumpenanlage empfehlen. Um mit einem niedrigen Temperaturniveau heizen zu können, ist v. a. eine sehr gute Gebäudedämmung und eine hohe Luftdichtigkeit des Gebäudes erforderlich. Kombinierte Systeme, sodass bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt zur Not der Gasbrennwertkessel einspringen kann, sind teuer und lohnen sich nur bei größeren Anlagen. Zur Sicherheit empfehlen wir im Rahmen einer Energiebilanz eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ›
› verschiedener infrage kommender Systeme durchzuführen. Die Einbeziehung von Photovoltaik ist ein erstrebenswerter Luxus, aber erst nach Durchführung der wichtigen Maßnahmen zur Energieeinsparung sinnvoll.«
So lohnt also neben der oberflächennahen Geothermienutzung und der Verwendung von Wärmepumpen auch der Blick auf zwei weitere Entwicklungen im Bereich der regenerativen Wärmeerzeugung.
HEIZEN MITTELS EISSPEICHER
Was zunächst reichlich paradox klingt, ist eine verhältnismäßig neue Methode zum Einlagern von Energie, die gerade mit Öko- und Innovationspreisen überschüttet wird: der Eisspeicher. Diese Technologie macht sich die Tatsache zunutze, dass Wasser beim Ändern seines Aggregatzustands Energie freisetzt oder aufnimmt. Tatsächlich erzeugt der Prozess des Gefrierens die gleiche Energie, die nötig wäre, um das Medium von 0 auf 80 °C zu erhitzen. Dem Wasser wird mittels Wärmepumpe durch einen Wärmetauscher so lange Wärme entzogen, bis es zu Eis gefriert. Beim Neubau einer Firmenzentrale für 180 Mitarbeiter und 4 500 m² Nutzfläche im schwäbischen Geislingen kam dieses Verfahren 2010 erstmals großmaßstäblich zur Anwendung. Hierfür wurde eine zylindrische Betonzisterne mit 15 m Durchmesser und 5 m Höhe 1 m tief in die Erde eingegraben. Ihr Fassungsvermögen beträgt 1 Mio. l. Derzeit ist das Sammelbecken mit 800 000 l gefüllt (dieses Volumen sichert die Energie für eine Heizperiode von 100 Tagen); 3 km Wärmetauscherrohre greifen die im Wasser vorhandene Energie ab.
Der im Winter aufgebaute Eisvorrat sorgt in den warmen Sommermonaten auf umgekehrtem Wege für die Kühlung des gesamten Bauwerks. Parabol-Rinnenkollektoren auf dem Dach unterstützen das System im Winter, indem sie die 3 000 l Wärmepuffer (zur Direktversorgung der Fußbodenheizung) »laden«; im Sommer helfen sie, das im Speicher gebildete Eis abzutauen. Die JAZ von beinahe 5,5 belegt laut Aussage der Hersteller eine Einsparung von ca. 50 % gegenüber der herkömmlichen Gas/Öl-Lösung, zuzüglich des erheblichen Vorteils der Gebäudekühlung aus demselben Reservoir.
Die Ingenieure von agn Niederberghaus & Partner griffen bei einem denkmalgeschützten Umbau für das Stuttgarter Stadtarchiv in Bad Cannstatt ebenfalls auf das Konzept des Eisspeichers zurück. Aufgrund der spezifischen Situation am Standort und der besonderen Anforderungen an ein Archiv erschien dies als bestmögliche Lösung, denn zum einen machte wertvolles Heilwasser 2,40 m unter Erdgleiche die Nutzung geothermischer Energie ›
› unmöglich, zum anderen durften aus Sicherheitsgründen keine wasserführenden Leitungen zur Einbringung von Energie verlegt werden; außerdem sollte eine gleichmäßige Verteilung von Wärme und Kälte durch intensive Luftströmung gewährt sein. Der 400 m³ große Speicher auf einer Tonschicht oberhalb des Heilwassers ermöglicht den Ausgleich eines sehr schnellen Temperaturwechsels, sodass weite Teile des Bauwerks konstant lediglich um +/-1 °C und die relative Feuchte nur um +/-3 % variieren. Dieser Unterschied zum saisonalen Eisspeicher ist dem Projektverantwortlichen Bernhard Bergjan äußerst wichtig: »Die Besonderheit der Bauaufgabe verlangte ein relativ kurzfristiges Pendeln zwischen Wärme und – insbesondere zur Lufttrocknung – Kälte. Aus ökonomischer Sicht bekommt diese mit großem Aufwand betriebene Form der Energiespeicherung erst dadurch einen wirklichen Sinn. Aus wirtschaftlichen Gründen kam eine gasbetriebene Wärmepumpe zum Einsatz. Im Vergleich zur konventionellen Lösung konnten die Betriebskosten so insgesamt um 30 % gesenkt werden.«
SOLE STATT ÖL
Mit einer ungewöhnlichen Alternative machte Martin Buchholz von der TU Berlin im Oktober auf sich aufmerksam. Er präsentierte ein mit Kollegen vom Fachgebiet Gebäudetechnik und Entwerfen entwickeltes Ergebnis, das die Forscher als »Soleheizung« betiteln. Pflanzen verdunsten dabei in einem Gewächshaus bereits bei geringen Temperaturen Wasser. Die warme, feuchte Luft wird dann in einen 2 m hohen und 1 m³ großen, schwarzen Füllkörper aus Plastik geführt, der eine Oberfläche von 80 m² aufweist. Durch diesen rieselt eine Salzlösung aus Magnesiumchlorid. Aufgrund der hygroskopischen Eigenschaft von Salz nimmt die Sole die eingebrachte Luftfeuchtigkeit auf und erwärmt sich aufgrund des Phasenwechsels von Wasserdampf zu Wasser auf bis zu 45 ° C. Wird diese Wärme nicht direkt zum Heizen im Gebäude genutzt, lässt sich die warme Sole in anliegenden Tanks speichern.
Durch vorgewärmte, trockene Außenluft, die über ein Erdwärmerohr in den Absorber-Füllkörper geleitet wird, regeneriert sich die Sole im Winter, sodass ihr Salzgehalt von 20 auf 35 % steigt. Dann ist sie wieder in der Lage, Wasserdampf aus dem Gewächshaus aufzunehmen.
Die Entwicklung erscheint zwar recht aufwendig, sie klingt aber insofern vielversprechend, als dass neben frostresistenten Pflanzen wie z. B. Bambus prinzipiell auch andere Feuchtigkeitsquellen nutzbar sind – etwa aus Wäschetrocknern, Badezimmern und Küchen oder bei Trocknungsprozessen in der Industrie.
ZUKUNFT ODER ZUKUNFTSMUSIK?
Sonne, Erdwärme und seit Neuestem Eis oder Salzlaken als zukunftsweisende Energielieferanten und die Aussicht auf Unabhängigkeit von Ressourcen und Preissteigerungen der Versorgungskonzerne stellen eine große Verlockung dar. Mittlerweile lassen sich eine Vielzahl ehemaliger ökologischer Träumereien in die Tat umsetzen. Die spätere mögliche Einsparung verlangt jedoch zunächst eine hohe Investitionsbereitschaft. Beste Ergebnisse sind in jedem Fall nur durch eine konkrete bilanzielle Betrachtungsweise der notwendigen Wärme und Kälte im Wechselspiel sowie eine zusammenwirkende Arbeit zwischen Technikplaner und Architekt zu erzielen.•
[1] So sind z. B. Solarkollektoranlagen auf Neubauten zurzeit grundsätzlich nicht förderfähig: www.bafa.de/bafa/de/energie/erneuerbare_energien/solarthermie/index.html
Weitere Informationen:
Bzgl. Förderung: Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): www.kfw.de; Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA): www.kfw.de
Energieberatung: Deutsches Energieberater-Netzwerk e. V.: www.den-ev.de
Aktuelle Checkliste für Wärmepumpen: www.verbraucherzentrale-energieberatung.de
Eisspeicher: www.isocal.de

Energie (S. 64)
Hartmut Möller
s. Kassel
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4.2024
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