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Festhalle in Kressbronn von SPREEN ARCHITEKTEN

Unprätentiöser Solitär
Festhalle in Kressbronn

Morgens Schulsporthalle, abends Konzertsaal – aber auch Feste, Hochzeiten und sogar Messen finden in der neuen Kressbronner Mehrzweckhalle statt und sorgen für Vollauslastung. Dabei überzeugt nicht nur das vielseitige Innere, auch äußerlich macht der Solitär im Ortskern der Bodenseegemeinde eine gute Figur.

  • Architekten: SPREEN ARCHITEKTEN
    Tragwerksplanung: merz kley partner
  • Kritik: Iris Darstein-Ebner
    Fotos: Stefan Müller-Naumann, Jan Spreen
Selbst an einem trüben Regentag ist das angenehm unspektakuläre Bauwerk im Dreieck zwischen Kressbronner Hauptstraße, Nonnenbach und Landschaftschutzgebiet ein architektonischer Lichtblick. Treffsicher hat die Jury aus 218 europaweiten Einreichungen ausgewählt, was dem Ort an dieser Stelle gefehlt hat: ein Haus für alle, das sich einpasst in das Ortszentrum und dennoch spürbare Präsenz ausstrahlt, seine Rolle als kulturelles Herz der Gemeinde ausfüllt und dabei gestalterisch auf dem Teppich bleibt. »Festhalle« steht in großen Lettern am Haupteingang, der eingerückt unter dem OG die Besucher schützend willkommen heißt. Die unprätentiöse Namensgebung charakterisiert nicht nur das Gebäude treffend, sie sagt auch einiges aus über die Bodenständigkeit der Kressbronner, die in unterschiedlichen Gremien eines der größten Bauvorhaben in der Geschichte ihrer Gemeinde mitgetragen haben.
Spiel mit Proportionen
Das umfangreiche Raumprogramm mit dem daraus resultierenden großen Gebäudevolumen in einen ländlich geprägten Ortskern zu integrieren, war gewiss keine leichte Aufgabe. Die Wettbewerbssieger Jan und Angela Spreen aus München lösten sie jedoch geschickt – städtebaulich, architektonisch und funktional. Sie ordneten die komplexen Nutzungskombinationen der einzelnen Bereiche übersichtlich auf einem einfachen, rechteckigen Grundriss von 27 x 62 m Größe an. Während die alte Festhalle, die zugunsten des Neubaus abgerissen wurde, vormals hinter einem Ökonomiegebäude verschwand, werden die Besucher heute über einen trichterförmigen Vorplatz förmlich in das Bauwerk hineingesogen. Dessen Hauptportal wendet sich der Hauptstraße im Süden und damit der Lebensader des Orts zu. Aus dieser Perspektive präsentiert die Halle ihre Schmalseite und imitiert damit – einer Art Mimikry-Impuls gehorchend – perfekt die Proportionen der umliegenden Satteldachhäuser und Schuppen. Auch die Gliederung der Längsseiten überzeugt. Die Architekten setzten den Außenwänden ein dreifaches Sägezahndach auf und brechen so das Bauvolumen auf eine der Umgebung angepasste Maßstäblichkeit herunter.
Fahrrad- und Spazierwege führen an der Festhalle vorbei – im Osten parallel zum baumbestandenen Nonnenbach, im Westen in Richtung Landschaftsschutzgebiet zu den neu angelegten Parkplätzen, der Bushaltestelle und zur Nonnenbachgrundschule, deren Schüler die Halle täglich nutzen.
Das aus grundwassertechnischen Gründen nicht unterkellerte Gebäude ruht auf 38 Bohrpfeilern. Die tragende Konstruktion besteht aus 25 cm dicken Stahlbetonwänden mit einer 14 cm dicken Wärmedämmschicht. Leimbinder aus Brettschichtholz, einen Meter hoch, spannen quer über das Bauwerk und tragen das Dach. Es gibt nichts, was von der scharf geschnittenen Geometrie des prägnanten Solitärs ablenken würde. Die zwischen die Attiken der Sheds bündig eingepassten, schwarzen PV-Elemente und die klar definierten Dachränder betonen die archaische Form noch zusätzlich. Eine einheitlich umlaufende Holzlamellenbekleidung fasst die Fassaden zusammen. Außer den großflächigen Verglasungen von Foyer und Saal sowie der Anlieferung und dem Nebeneingang aus mattschwarz lackierten Blechtafeln sind alle sonstigen Wandöffnungen hinter der Holzlattung verborgen und nur schemenhaft zu erkennen. Erst bei Dunkelheit, wenn das Gebäude von innen leuchtet, werden sie sichtbar wie hinter einem transparenten Vorhang.
Sheds und Holzbekleidung artikulieren die regionale Baukultur zeitgemäß. Die präzise Anordnung der unsichtbar befestigten, sägerauen und grau lasierten Holzlamellen betont das schlichte, doch edle Erscheinungsbild.
Wandelbar und vielseitig
Auch im Innern hat die Weißtanne gestalterisches Gewicht: Bereits im zweigeschossigen Foyer beeindrucken die großformatigen Paneele aus dem heimischen Nadelholz. Selbst die Türblätter und Trennwände wurden damit furniert. Unter der Galerie schließen sich seitlich Garderobe und Cateringküche an. In schöner Ergänzung zum weiß lasierten Holz sind sowohl Geschossdecken, als auch einige Wände und Stützen in Sichtbeton ausgeführt. Dabei sind von den makellosen Betonflächen über den rissfreien Estrichboden bis zum exakten Fugenbild der Holztafeln alle Materialien perfekt verarbeitet, Leuchten und Lüftungsöffnungen präzise platziert. Hier sieht man die Leistung guter Handwerker, doch ohne frühzeitige, engagierte Detailarbeit der Architekten und Fachingenieure wäre solch ein Ergebnis kaum zu erzielen gewesen.
Fantasie und Entwurfsgeschick waren hingegen bei der Konzeption der rund zehn verschiedenen Nutzungs- und Raumvarianten in der Festhalle gefragt. Praktisch umgesetzt wurden die Ideen durch bewegliche Trennwände, die in seitlichen Wandtaschen gefaltet verschwinden, durch Paneele, die wie eine Ziehharmonika nach oben fahren und Bar und Küche freigeben sowie durch mobile Bühnenelemente, aus denen ein Podium entsteht. Die Galerie kann Vorbereich des Tagungsraums im OG sein, während der Galeriegang zu den Umkleidekabinen als Loge bei Musik- und Theatervorstellungen dient. Zum Säulenportikus schließlich wird der Eingang zur großen Halle, wenn die Türblätter der fünf Doppeltüren, im 90-Grad-Winkel arretiert, den Besuchern Einlass gewähren.
Qualitätsaspekte
In der eigentlichen Festhalle, im Herzen des Gebäudes, finden 600 Personen Platz. Zwischen den Oberlichtsheds, die blendfreies Nordlicht einlassen, kann eine Trennwand herabgelassen werden, die zwei unabhängig voneinander nutzbare Bereiche schafft. Die gesamte holzvertäfelte Stirnwand lässt sich in vertikale Streifen segmentieren und seitlich verstauen. Dahinter öffnet sich der schwarze Bühnenraum mit zwei Nebenbühnen und dem Stuhllager im Rücken. Ist die Wand geschlossen, lässt sich die »Black Box« separat nutzen. Mit 130 m² ist die Bühne vergleichsweise groß, muss sie doch allen rund 100 aktiven Musikern der Gemeinde gleichzeitig Platz bieten.
Da die Halle vorrangig als Konzertsaal konzipiert wurde, kam der Akustik besondere Bedeutung zu: Exakt wurde berechnet, welche Holzpaneele an Wand und Decke glatt, mit perforierter oder mit geschlitzter Oberfläche, als Schallabsorber oder Schallreflektoren ausgeführt werden mussten. Davon profitiert auch der Sportbetrieb, der hier deutlich leiser als in gewöhnlichen Sporthallen ausfällt. Damit die Paneele keinen Schaden nehmen, sind sie im unteren Bereich prallsicher ausgeführt. Der Parkettboden in hellem Ahorn ist als elastischer Sportboden mit Fußbodenheizung aufgebaut, verzichtet aber auf grelle Spielfeldmarkierungen. Überhaupt weist kaum etwas in der Halle darauf hin, dass hier täglich Grundschulklassen toben und Vereine trainieren: Sprossenwände verschwinden hinter flächenbündigen Türen und Geräteraumtore sind nur an den eingelassenen Türgriffen als solche zu erkennen. Ebensowenig ist nur selten genutzte Bühnentechnik hinter kaum sichtbaren Klappen und Luken in Wände und Decken wahrnehmbar.
Nicht nur ihre Rolle als Impulsgeber für ein attraktives, aktives Gemeindeleben füllt die Festhalle optimal aus, sie zeigt auch vorbildlich das Zusammenwirken nachhaltiger Energiekomponenten: Eine Sole-Wasser-Wärmepumpe mit einer Heizleistung von 55 kW versorgt das Gebäude über acht Sonden mit Erdwärme. Die Lüftungsanlage ist mit einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung und Mischlufteinrichtung versehen. LED-Strahler sorgen für eine energiesparende Grundbeleuchtung, nur in der großen Halle sind zusätzlich dimmbare Halogenstrahler eingebaut. Und die Solaranlage auf dem Dach liefert jährlich bis zu 125 00 kWh Strom, was in etwa dem Jahresverbrauch von 30 Einfamilienhäusern entspricht. Jeder spürt die ganzheitliche Qualität dieses Gebäudes – leider aber auch, dass sie bei Neubauten heute nicht selbstverständlich ist. •
~Iris Darstein-Ebner
1967 geboren. 1994 Architektur-Diplom in Karlsruhe. Mitarbeit in mehreren Architekturbüros. 1996-2011 Tätigkeit als Redakteurin u. a. bei AIT und kraemerverlag Stuttgart. Seit 2011 Architekturkommunikation.
  • Standort: Hauptstraße 39, 88079 Kressbronn a. B.

    Bauherr: Gemeinde Kressbronn a. B.
    Architekten: SPREEN ARCHITEKTEN, München
    Bauleitung: SPREEN ARCHITEKTEN mit PLAN Q2 Architekten, Friedrichshafen
    Tragwerksplanung: merz kley partner, Dornbirn
    HLS-Planung: Ingenieurbüro Rolf Witschard, Ravensburg
    Elektroplanung: Planungsbüro Manfred Straub, Tettnang
    Bauphysik: Müller-BBM, Planegg
    Freiraumplanung: SPREEN ARCHITEKTEN mit fischer heumann
    Landschaftsarchitekten, München
    BGF: 3 700 m² Nutzfläche: 1 500 m²
    BRI: 18 500 m³ Baukosten: 8,1 Mio. Euro
    Bauzeit: Oktober 2011 bis Mai 2013
  • Beteiligte Firmen: Fassade Weißtanne: Habisreutinger, Weingarten, www.habisreutinger.de
    Holz-Aluminiumfenster: Wicona, Ulm, www.wicona.de
    Türbänder: Anuba, Vöhrenbach, www.anuba.de
    Textiler Sonnenschutz: Warema, Marktheidenfeld, www.warema.de
    Aluminium-Profiltafeln Dach: Bemo Systems, Ilshofen, www.bemo.com.de
    PV-Anlage: SolarPowerTeam, Weißensberg, www.solarpowerteam.de
    PV-Module: Solarwatt, Dresden, www.solarwatt.de
    Akustikdecke: Lignotrend, Weilheim-Bannholz, www.lignotrend.de
    Schalter: (LS 990) Albrecht Jung, Schalksmühle, www.jung.de
    Leuchten: (Downlights) LTS, Tettnang, www.lts-licht.de;
    (Saalleuchten) Sill Leuchten, Berlin, www.sill-lighting.com
    Türgriffe, Beschläge: Franz Schneider Brakel, Brakel, www.fsb.de
    Sporthallenboden: Hamberger Flooring, Stephanskirchen, www.haro.com
    Böden Flure, Foyer Treppen: Dyckerhoff, Wiesbaden, www.dyckerhoff-weiss.de
    Feinsteinzeug Sanitärbereich: RAK ceramics, Gernsheim, www.rakceramics.de

Spreen Architekten


Jan Spreen
1968 in Hamburg geboren. 1989-96 Architekturstudium an der Universität Kaiserslautern. 1996-99 freie Mitarbeit bei Mahler Günster Fuchs in Stuttgart. Seit 1998 eigenes Büro in Stuttgart, seit 2002 mit Angela Spreen in München. 2000-02 Lehrauftrag an der Universität Stuttgart.
Angela Spreen
1970 in Gräfelfing geboren. 1989-96 Architekturstudium an der Universität Kaiserslautern. 1996-2002 Mitarbeit bei Hinrichsmeyer und Bertsch. Seit 2002 gemeinsames Büro mit Jan Spreen.
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