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Schöner integriert

Gebäudeintegrierte Photovoltaik
Schöner integriert

Nach wie vor bildet die gebäudeintegrierte Photovoltaik einen Nischenmarkt, doch einen mit architektonischer Zukunft. Auch wenn die bislang verwirklichten Projekte bei Weitem nicht die Bandbreite der Möglichkeiten widerspiegeln, die PV-Module als Fassadenelemente haben können – es tut sich derzeit dennoch einiges in Sachen gestaltbildender Photovoltaik. Die Palette an ausdrucksstarken PV-Fassaden wird größer und vielfältiger, wie einige Beispiele zeigen.

Text: Susanne Rexroth

Variabler Sonnenschutz
Die Q-Cells AG gehört zu den weltweit größten Herstellern von Solarzellen. Kein Wunder also, wenn das schnell wachsende Unternehmen in seiner neuen Firmenzentrale im »Solar Valley« im mitteldeutschen Thalheim eine Photovoltaikanlage realisierte, die mehr kann als Strom produzieren. BHSS Architekten aus Leipzig planten 2007 für das expandierende Unternehmen ein Ensemble aus drei jeweils sechsgeschossigen Gebäuden für Fertigung und Verwaltung mit fassadenintegrierten PV-Elementen. Fertiggestellt ist inzwischen das Bürogebäude, das nicht nur im Inneren im Rahmen des Achsrasters veränderlich gestaltet ist, sondern diese Flexibilität und Offenheit auch über seine Fassade vermittelt. Auf der Süd- und Westseite folgen auf jeweils ein geschosshohes und 1,40 m breites, feststehendes PV-Modul immer zwei bewegliche, gleichgroße und ebenfalls hochformatige, leichte Schiebeelemente aus Streckmetall. An der Ost- und an der Nordseite ersetzen Siebdruckgläser die Solarstromelemente. 105 solcher feststehender Siebdruckgläser, 103 feststehende PV-Module und 210 Schiebeelemente bilden also den teils beweglichen Sonnenschutz, synchronisiert von einer tageslichtgeführten Steuerungsautomatik. Von dieser unabhängig hat aber jeder Nutzer die Möglichkeit, den Sonnenschutz individuell zu bewegen.
Ein PV-Modul besteht aus 17 Reihen mit je acht, also insgesamt 136 polykristallinen Solarzellen und einer weißen Kunststofffolie zwischen zwei jeweils 6 mm dicken ESG-Scheiben, gefasst durch einen Aluminiumrahmen und montiert mit Klemmhaltern. Die imposante Größe der Module erklärt auch ihre hohe Leistung von je 475 Wp. Insgesamt erzielt die Fassade eine Leistung von 48 kWp.
Im grossen Stil
Östlich der spanischen Hauptstadt Madrid erhebt sich in Alcalá de Henares ein schlanker Büroturm. Seine Photovoltaikanlage gibt ihm eine unverwechselbare Silhouette und wird durch diesen städtebaulichen Maßstab stadtbildprägend. Mit seinen 75 Metern ist der 17-Geschosser das höchste Gebäude in seiner Umgebung. Die gesamte Südseite des Turmes wirkt durch 47 Reihen mit jeweils 15 polikristallinen PV-Modulen, die in einer Neigung von ungefähr 30 ° vor die Fenster gesetzt sind, sehr plastisch. Ihre Anordnung vermittelt zwischen den gleichzeitig bestehenden Ansprüchen Verschattung, Stromertrag und Ausblick. Aus der Ferne betrachtet suggerieren die 47 Reihen mehr Stockwerke als tatsächlich bestehen und strecken den Turm dadurch optisch.
Ebenso gestaltbildend ist das Dach des Turmes: Als Flugdach hebt es sich vom Rumpf ab und trägt eine Photovoltaikanlage aus 72 rechteckigen und 92 quadratischen Modulen. Insgesamt weist die gebäudeintegrierte Photovoltaik eine Leistung von fast 76 kWp auf, was die Anforderungen der örtlichen Bauordnung »Códego Técnico de la Edificación« (CTE) zur Energieversorgung von Bürogebäuden um das Sechsfache überschreitet.
Wenn die Sonne brennt
Der neue Standort der Heidelberger Berufsfeuerwehr, 2007 eingeweiht und unübersehbar an einer Ausfallstraße gelegen, ist heute der Blickfang bei der Einfahrt nach Heidelberg. Die entsprechend dem Passivhaus-Standard konzipierten Obergeschosse des mehrgliedrigen Baukörpers beherbergen die Leitstelle, Sozial- und Schulungsräume, Büros, Cafeteria und eine Sporthalle. Erd- und Untergeschoss genügen aufgrund ihrer feuerwehrspezifischen Nutzungsbedingungen nicht dem Passivhaus-Standard, sind aber dennoch konsequent energiesparend gebaut. Hier befinden sich die Fahrzeughalle mit dreißig Stellplätzen, Übungsräume und Werkstätten.
Städtebaulich durchdacht orientierte der Architekt Peter Kulka den Baukörper mit seiner weit auskragenden Leitwarte und dem markanten Schlauchtrockenturm zur Straße hin – und wendete damit die langen Seiten des Gebäudes nach Osten und Westen. Damit waren die langen Fassaden weniger geeignet für die passive Solarenergienutzung, doch konnten der nach Süden ausgerichtete Schlauchturm mit einer 14 kWp »starken« PV-Fassade versehen und auf dem Flachdach des Büroriegels eine knapp 26 kWp lieferende Photovoltaikanlage aufgeständert werden. Pro Jahr speisen die insgesamt 283 PV-Module fast 50 MWh ins örtliche Stromnetz.
Mit PV »gebrüstet«
Ähnlich auffällig wie das Madrider Hochhaus, wenn auch in wesentlich bescheideneren Dimensionen, wirkt die Photovoltaik-Brüstung an der Terrasse eines von Architekt Erwin Kaltenegger geplanten Wohnhauses im steiermärkischen Passail. Eine große Glasfront nach Südwesten fasst den Ausblick ins Tal. Die Brüstung dieser Terrasse wird dabei zur Stromerzeugung genutzt: 19 Module mit polykristallinen Solarzellen in Verbundsicherheitsglas erzeugen mit je 245 Wp eine Spitzenleistung von 4,65 kWp. Hinterschnittanker in der rückseitigen Glasscheibe halten die rund 1,70 x 1,30 m großen Module. Die Befestigung ist von vorne nicht sichtbar und ermöglicht zum einen eine plane Glasoberfläche der Vorderseite, zum anderen eine durchgehende Zellbelegung. Die Solarzellen sind dabei aber nur im oberen Teil der Module angebracht. Im unteren Teil verdeckt auf der äußeren Glasscheibe ein weißer Siebdruck die Anschlussdosen und Verkabelungen im Bereich der Deckenstirnseiten. Als weißes Band markiert er zusammen mit der ebenfalls weißen Attika die Kontur und verstärkt die schwebende Wirkung des Gebäudes. ›
Solarscheibe
Ein ungewöhnliches Kunstprojekt mit Solarzellen realisierte der Architekt Nikola Baŝić an der Meerespromenade seiner Heimatstadt Zadar in Kroatien (siehe auch db 1/2008). Auf einer kreisförmigen Fläche von 16 m Durchmesser wurden 328 begehbare PV-Module aus 2 x 12 und 1 x 6 mm dickem Verbundsicherheitsglas verlegt. 264 dieser Module sind elektrisch aktiv und erzeugen eine Leistung von 15 kWp. 25 Solarzellen ergeben ein PV-Quadrat mit einer Kantenlänge von jeweils 110 cm. Für den Außenrand der Kreisfläche wurden Teilmodule mit passendem Radiuswinkel zugeschnitten, die entsprechend weniger Zellen enthalten. Der tagsüber erzeugte Strom wird ins Netz eingespeist. LEDs auf den Modulunterseiten leuchten durch kleine quadratische Öffnungen in den Solarzellen und den Siebdruck der rutschsicheren Glasabdeckung hindurch. Mit ihrer Hilfe lassen sich computergenerierte Bild-sequenzen abspielen. Nach Sonnenuntergang wird die LED-Beleuchtung mit Netzstrom versorgt.
Als besondere Herausforderung des Projektes entpuppte sich der Salzwasserschutz. Die Modulrahmen bestehen daher aus salzwasserresistentem Edelstahl, die Gläser selbst verklebte man mit Spezialsilikonen. Auch die Kabel mussten besonders geschützt werden. Um die Lebensdauer der Technik nicht zu beeinträchtigen, installierte man sie in sicherer Entfernung zum Wasser.
Skulpturale Nachfolger
Eines der wohl spektakulärsten aktuellen Projekte mit einer in die Gebäudehülle integrierten Photovoltaikanlage ist das Dach der BMW Welt in München. Mittels einem neu entwickelten Montagesystem wurden die PV-Module so auf dem Dach integriert, dass sie die Dachform in ihren unterschiedlichen Neigungswinkeln »unterstreichen«: 3660 PV-Module und 263 inaktive Module folgen der bewegten Geometrie. Dass die Erträge deshalb etwas niedriger als unter optimalen Einbaubedingungen sind – nämlich etwa 840 kWh/kWp – ist der extravaganten Architektur der Wiener Architekten Coop Himmelb(l)au nachgeordnet.
Noch aufwendiger waren Planung und Ausführung der gebäudeintegrierten PV-Module in die amorphe Form eines Neubaus für den Pharmakonzern Novartis in Basel. Deren Hauptsitz, das Werkareal St. Johann mit seinen zahlreichen Büros, Forschungs- und Produktionsstätten, soll sich in einen Campus des Wissens, der Innovation und Begegnung verwandeln und durch die Gebäude namhafter Architekten aufgewertet werden. Ein neues Bürohaus von Frank Gehry bildet den Mittelpunkt des neuen Campus: In seiner durchscheinenden und mehrfach gefalteten Gestalt erscheint es wie eine Papierfigur, jedoch eine mehr als dreißig Meter hohe. Die kristalline Erscheinung verdankt der Solitär seiner skulpturalen Form sowie der Totalverglasung: Selbst die Unterseiten der überhängenden Gebäudevolumen sind verglast. In die gläserne Gebäudehülle integrierte man transparente Solarzellen. [1]
In historischer Stahlkonstruktion
Eine Herausforderung der besonderen Art war der Bahnhof Stillwell Avenue auf Coney Island in New York – einerseits wegen der bisher unbekannten Größenordnung, in der hier Dünnschicht-PV-Module eingesetzt wurden, anderseits wegen der von strengen Regularien bestimmten Auftragsvergabe. So musste die in den USA für solche Projekte übliche UL-Produktzertifizierung (vergleichbar mit der Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung) vorgelegt werden.
Die S-Bahn-Station wurde Anfang des vergangenen Jahrhunderts als Stahl-Glas-Konstruktion errichtet und war seinerzeit bereits wichtiger Umsteigeplatz für Tausende Pendler und Reisende. Die Architekten von Kiss+Cathcart in Brooklyn entschieden sich bei der kompletten Renovierung des achtgleisigen Bahnhofs für eine Überdachung der historischen Stahlkonstruk- tion mit Glas und Dünnschicht-Solarmodulen, die zusammen sowohl als Witterungsschutz und zur Bahnsteigbeleuchtung als auch der Stromerzeugung dienen. Nach einer Tageslichtsimulation wird das Tageslicht vom Glasanteil zu 95 %, von den Solarmodulen zu 5 % durchgelassen. Damit sind die Bahnsteige von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang fast die ganze Zeit über mit blendfreiem Tageslicht versorgt und gleichzeitig vor der Sonne geschützt. Die Photovoltaikanlage besteht aus 2730 eigens angefertigten Modulen – jedes ungefähr 60 x 100 cm, mit Solarzellen in der Mitte und einem freien Glasstreifen um den Rand. Die in Deutschland produzierten Module belegen rund 5300 m2 der etwa 7400 m2 großen, dreischiffig gewölbten Dachfläche, was eine Gesamtleistung von rund 200 kWp ergibt. Das System erzeugt ungefähr 240 000 kWh Elektrizität pro Jahr – genug, um die Energiebedarf von ungefähr zwanzig amerikanischen Einfamilienhäusern zu decken.
Jüngste Entwicklungen
Gegenüber kristallin-siliziumbasierten PV-Modulen bieten neuere Entwicklungen eine Reihe spezifischer Vorteile, wie etwa weitgehend monochrome Oberflächen, flexible Raumstrukturen, Semitransparenz oder auch eine größere Empfindlichkeit für diffuse Strahlung, die sie für Anwendungen in der gebäudeintegrierten Photovoltaik prädestinieren.
So ermöglichen Fortschritte in der Dünnschichttechnologie flexible Module: Beispielsweise lässt sich das Kupfer-Indium-Diselenid (CIS) auf Kupferband zu einem Kunststofflaminat etwa für Membrankonstruktionen weiterverarbeiten. Auch herkömmliche Dünnschichtsolarzellen aus amorphem Silizium, eingeschweißt in zwei EFTE-Folien, eignen sich für transparente Foliendachkonstruktionen.
Eine gewisse Farbigkeit lässt sich mit den bisherigen Dünnschichtzellen erzielen, wenn farbige Deckgläser verwendet werden. Farbige Zellen selbst werden – in einem Spektrum von Grün über Gelb zu Rot – mit der Weiterentwicklung der Grätzelzelle [2] möglich. Bei diesen Solarzellen absorbieren Farbstoffe Licht und erzeugen damit Strom (vergleichbar der Photosyn- these). Organische Solarzellen [3], basierend auf lichtabsorbierenden Polymeren, leuchten in einem satten Rot. Diese Technologien sind jedoch voraussichtlich erst in einigen Jahren marktreif.
Finanzielle Perspektiven
Damit trotz höherer Kosten Photovoltaikanlagen in die Architektur integriert werden, unterstützt die staatliche Förderung in Italien, Frankreich und ab 2009 auch in der Schweiz die gebäudeintegrierte Photovoltaik mit einem Bonus. Die Marktentwicklung in Deutschland, wo im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) – auch Energieeinspeisegesetz genannt – ab diesem Jahr der bisherige, zusätzliche 5-Cent-Fassaden-Bonus entfällt, lässt dennoch einen gewissen Optimismus zu: Ein Gesetz wie das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) und Verordnungen für Alt- und Neubauten, welche die Nutzung erneuerbarer Energien vorgeben, könnten sich als treibende Kräfte erweisen, von denen auch Projekte der gebäudeintegrierten Photovoltaik profitieren können. •
Literaturhinweise und Anmerkungen: [1] Dazu mehr in unserer nächsten Rubrik Energie, db 4/2009 [2] Diese »Urzelle« der Farbstoffsolarzellen ist benannt nach Michael Grätzel, Direktor des Instituts für Photonik und Grenzflächen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (ETHL). Er entdeckte sie Anfang der neunziger Jahre und ließ sie 1992 patentieren. [3] Siehe db 8/2008, Technik aktuell, S. 70/71
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