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Auftauchen über der Stadt

Thermalbad und Spa in Zürich (CH)
Auftauchen über der Stadt

Zwei Welten verbindet die Bad- und Thermenanlage in den Kellern und auf dem Dach einer ehemaligen Brauerei in Zürich. In den Gewölbekellern, in denen einmal Bierfässer gelagert wurden, ist eine komplexe Bäderlandschaft entstanden. Das Dach fasziniert durch einen Pool unter freiem Himmel, der eine einzigartige Aussicht eröffnet.

    • Architekten und Innenarchitekten: Althammer Hochuli Architekten und ushitamborriello, Innenarchitektur & Szenenbild Tragwerksplanung: dsp Ingenieure & Planer

  • Kritik: Karl J. Kegler Fotos: Hannes Henz u. a.
Als Finanzmetropole genießt Zürich den Ruf der Nüchternheit. Wer in den Sommermonaten am Ufer des Sees oder der Flüsse Sihl und Limmat unterwegs ist, gewinnt einen anderen Eindruck. Kaum eine zweite Stadt kann in Relation zu ihrer Einwohnerzahl mit einer solchen Dichte an öffentlichen Bädern aufwarten.
Wenig bekannt ist, dass die Stadt auch eine Thermalquelle besitzt. Im Jahr 1976 stieß die Hürlimann-Brauerei in Zürich-Enge bei Bohrungen auf ihrem Werksgelände in 600 m Tiefe auf warmes, mineralreiches Wasser, das zwischenzeitlich für die Bierproduktion genutzt wurde. Als das traditionsreiche Unternehmen 1997 mit einem Konkurrenten fusionierte und die Produktion auf dem Areal stillgelegt wurde, endeten hier mehr als 100 Jahre Brauereigeschichte. Das Gelände wurde mit Wohn- und Gewerbebauten nachverdichtet, der denkmalgeschützte Bestand teilweise umgenutzt. ›
› Das Sudhaus als das eigentliche Herz des Brauereikomplexes blieb dagegen zunächst ohne Nachnutzung. Der seit 1867 immer wieder erweiterte und veränderte Baukomplex liegt dominant auf einem Hügelrücken, der das Flussbett der Sihl vom Becken des Zürichsees trennt. Unter dem Sudhaus liegt ein verzweigtes System von Gewölbekellern, die als Lager für Bierfässer dienten. 2007 entschloss sich nach mehreren gescheiterten Anläufen der neue Besitzer der Liegenschaft zu einem Umbau des Komplexes als Hotel und Thermenanlage, die als zwei unabhängige Einheiten betrieben werden. Eine besondere Herausforderung des Projekts bestand darin, den heterogenen und z. T. denkmalgeschützten Bestand in ein Thermalbad umzugestalten, das auf 150 000 Besucher im Jahr ausgelegt ist.
Durch den Berg zur Aussicht
Heute betritt der Besucher die Thermenanlage durch die ehemaligen Stall- und Werkstattgebäude am Fuß des Hügels in Umkehrung des Wegs, den in früherer Zeit die Bierfässer vom Ort der Produktion zur Auslieferung nahmen. Ein 30 m langer Gang führt in den Berg. Auf einer tieferen Kellerebene sind hier Umkleiden, Duschen und ein Kursbad für geschlossene Gruppen angeordnet. Die Hauptebene der Thermalbäder und Anwendungen ein Stockwerk höher erreicht der Gast von dort über eine großzügige zweiläufige Treppe. Die Arbeitsgemeinschaft aus dem Züricher Büro Althammer Hochuli Architekten und der Innenarchitektin Ushi Tamborriello hat es hier verstanden, aus einem heterogenen Bestand, einen ebenen und weiträumigen Badebereich zu formen, der von der Geschichte des Ortes lebt. Neue oder wieder geöffnete Durchbrüche schaffen auf dieser unterirdischen Hauptebene aus den vormals unübersichtlichen Gewölben eine großzügige Raumfolge. Eine einheitliche Laufebene zwischen den Kellern, die zueinander versetzte Fußbodenniveaus besaßen, konnte hier dadurch geschaffen werden, dass die Badebereiche im nördlichen Teil als große Bottiche aus Schweizer Lärchenholz auf den Fußboden aufgestellt sind, in anderen Bereichen dagegen als Becken abgesenkt wurden. Die unterirdische Welt der Therme findet ihren Kontrapunkt 30 m höher in einem Außenbad, das auf dem Dach des ehemaligen Sudhauses angelegt wurde. Beide Bereiche sind durch einen Schnelllift miteinander verbunden, zwischen ihnen liegen die vier Geschosse des Hotels, das zwar als eigene Einheit betrieben wird aber eine direkte Verbindung zur Therme besitzt. Aus den Aufzügen gelangt der Gast in einen Bistro- und Ruhebereich, der auf Liegen und Sesseln Platz für gut 70 Gäste bietet. War das unterirdische Badegeschoss durch die Atmosphäre der steinernen Gewölbe geprägt, findet sich der Besucher im Bistro in einer hölzernen Welt prismatisch verschobener Raumvolumen, die an einen Dachboden erinnern sollen. In diesem speziellsten aller Räume des Bads kann sich, wer mag, auf dem bequemen und feuchtigkeitsunempfindlichen Polstermobiliar niederlassen und einen Drink nehmen. Die Zwischenwände und -decken aus Lattungen sind wie ein Zelt in das oberste Geschoss des Sudhauses eingestellt und verbergen ihren Charakter als Einbauten nicht. Die Zwischenräume der Lattenroste sind mit einem schwarzen Glasfaservlies hinterspannt, das auch als Sichtblende im Übergang zu einigen kreisförmigen Oberlichtern dient. In den Zwischenräumen hinter der hölzernen Schale sind, für den Besucher unsichtbar, die technischen Installationen für Klimatisierung und für den Betrieb des Außenbeckens über ihren Köpfen untergebracht.
Absturz- und erdbebensicher
Auf das Dach gelangt der Gast vom Bistro aus über eine abgewinkelte Treppe. Ihre letzten Stufen führen sogleich wieder in ein Becken aus Edelstahl hinab. Sein kantiger Umriss ist in die Mitte des sehr flach geneigten Walmdachs, welches das Sudhaus bekrönt, hineingestanzt. An zwei Stellen steigt das Dach zwischen den Ausläufern des Beckens weiter bis über den Wasserspiegel hinaus an, ansonsten ist der Pool die höchste Stelle des gesamten Gebäudes und eröffnet den badenden Gäste in drei Himmelsrichtungen einen Panoramablick über Zürich. Diese Inszenierung des Badeerlebnisses scheint Wirkung zu zeigen, sodass man an einem Sonntagabend schon ein wenig suchen muss, um einen ruhigen Platz im Becken zu ergattern. Nach Südwesten schirmt der prismatisch geformte, an einen Felsen erinnernde Dachaustritt die Badegäste gegen den Einblick von einem 7-geschossigen Wohn- und Bürogebäude ab, das wenige Meter entfernt auf dem Platz der ehemaligen Gärtankanlage der Brauerei steht. Zwischen Dachaustritt und Becken finden auf einem Liegedeck einige wenige Sonnenliegen ihren geschützten Platz.
Der Ausblick aus dem Wasser auf die Stadt kann seine Wirkung ungestört entfalten, weil auf eine Absturzsicherung rund um das Becken verzichtet werden konnte. Der Rand des Beckens und weitere Details sind darauf ausgerichtet, dass der Badegast das Wasser gar nicht erst verlässt. Das Dach außerhalb des Pools ist mit spitzwinklig abgefasten Sipolatten verkleidet, die es unmöglich machen, dort mit nackten Füßen zu laufen. Sollte ein Gast oder ein unbeobachtetes Kind dennoch diese Zone betreten, wird die Person an einem Galerie-Umgang, der um den Fuß des Walmdachs herumläuft, aufgehalten. Das Planungsteam nutzte zur Unterbringung dieser Galerie die denkmalgeschützte hohe Attika des Sudhauses. Die Dachkonstruktion ist wie das gesamte übrige Sudhaus von innen gedämmt.
Zur Aufnahme der Wasserlasten ist das Dach als massive Betonkonstruktion ausgebildet. Der unregelmäßige Umriss sowie die für unterschiedliche Anwendungen (tiefere Zonen, Whirlpool oder Sprudelliegen im Wasser) variierende Tiefe des Pools erzeugen ein steifes dreidimensionales Betonfaltwerk. Die statische Last mit hohem Schwerpunkt im Gebäude musste darüber hinaus erdbebensicher gelagert werden. Aus diesem Grund genügte eine Lastabtragung über die historischen Außenmauern nicht. Der Aussteifung der Dachkonstruktion und der darunterliegenden Hoteletagen gegen horizontal angreifende Kräfte dient ein im Querschnitt fünfeckiger Betontrichter, der vom Außenbad bis zu einem Tagungsraum im 1. OG des Hotels hinabreicht und diesen von oben belichtet.›
› Durch die Thermalquelle im Untergrund kann der Großteil der für das Bad benötigten Energie auf dem Gelände selbst gewonnen werden. Das im Untergrund geförderte Thermalwasser hat eine Temperatur von etwa 25 °C. Ein Teil des Vorkommens wird genutzt, um das für den Badebereich geförderte Wasser über Wärmetauscher weiter aufzuheizen. Das Wasser für den Pool auf dem Dach wird nachts in ein gedämmtes Retentionsbecken auf der Ebene des Bistros abgepumpt, um Wärmeverluste zu vermeiden. Für die unterirdischen Teile der Thermenanlage konnte in einem aufwendigen Verfahren nachgewiesen werden, dass keine zusätzliche Wärmedämmung erforderlich ist, weil sich im Dauerbetrieb im umgebenden Erdreich eine Wärmeblase ausbildet, die einen ähnlichen Effekt hat wie eine konventionelle Dämmung.
aus dem Bestand entwickelt

Eine frühe Entscheidung des Planungsteams aus Architekten und Innenarchitektin war es, die Grundlinien der Gestaltung aus dem Bestand selbst heraus zu entwickeln. Genau diese Haltung überzeugte den Bauherrn, als er 2007 unter vier Büros ein Planerauswahlverfahren durchführte. Das erfolgreiche Büro Althammer Hochuli hatte schon 2002 ein Wohnbauprojekt auf einem anderen Teil des Brauerei-Areals realisieren können und war deshalb mit den Gegebenheiten sehr gut vertraut. Der Betreiber »Aqua Spa Resorts« brachte die Architekten in einem nächsten Schritt mit der Innenarchitektin Ushi Tamborriello als Expertin für moderne Bäder und Wellnessanlagen zusammen. Zuschnitt und Gestaltung der Bäder wurden, so Margit Althammer, »in jeder einzelnen Linie« von diesem Dreierteam in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege Raum für Raum entwickelt. Von außen ist von den Umbauten so gut wie nichts zu erkennen, lediglich der markante Dachaustritt zeichnet sich ab, wenn man die ehemalige Brauerei aus der Distanz betrachtet. Ergebnis der Planung ist vor allem eine Innenwelt von unaufgeregten, aber atmosphärisch starken Räumen, denen man die Komplexität der technischen und denkmalbezogenen Planungsaufgabe nicht anmerkt. Zu den außergewöhnlichen Qualitäten des Konzepts gehört es, diese Innenwelt mit einem schlicht, aber wirkungsvoll inszenierten Außenbad auf dem Dach zu kontrastieren.


  • Standort: Brandschenkestraße 150, CH-8002 Zürich

    Bauherr und Investor: PSP Swiss Property, Zürich
    Entwicklung und Betrieb Bad: AQUA-SPA-RESORTS Development & Management, Bern
    Betreiber Hotel: Turicum Hotel Management, Zürich
    Totalunternehmer: MLG Generalunternehmung, Bern
    Architektur: Althammer Hochuli Architekten, Zürich
    Innenarchitektur: ushitamborriello, Innenarchitektur & Szenenbild, Baden
    Denkmalpflege: Amt für Städtebau, Denkmalpflege, Stefan Gasser, Christine Barz, Zürich
    Tragwerksplanung: dsp Ingenieure & Planer, Greifensee
    Bauleitung: PJ Positor, Zürich; Pfister Partner Baumanagement, Zürich
    Bauphysik: MBJ Bauphysik + Akustik, Kirchberg; Baumann
    Akustik und Bauphysik, Bazenheid Materialtechnik: Mattec, Lenzburg
    HLKS-Planung: Grünig + Partner, Liebefeld
    Elektroplanung: SSE Engineering, Gümligen
    Lichtplanung Hotel: reflexion, Zürich
    HLK-Planung: Energieatelier, Thun
    Bädertechnik: Josef Ottiger + Partner, Emmenbrücke
    Sicherheitsplanung: Sicherheitsinstitut Zürich
    Farbgestaltung Fassade: Max Schweizer, Zürich
    Vermessung: Schenkel Vermessung, Zürich
    Nutzfläche: ca. 3 500 m²
    Besucher/Jahr: ca. 150 000
    Baukosten: keine Angaben Bauzeit
    Bad: Januar 2009 bis Dezember 2010
  • Beteiligte Firmen: keine Angaben
  • 1 Eingang
  • 2 Trinkhalle
  • 3 Kursbad
  • 4 Thermalbad
  • 5 Spa-Bad
  • 6 Ruhebereich und Bistro
  • 7 Retensionsbecken
  • 8 Technik
  • 9 Dachbad

Zürich (S. 14)

Althammer Hochuli Architekten


Margrit Althammer
1962 in Wettingen (CH) geboren. 1982-88 Architekturstudium an der ETH Zürich. Seit 1992 gemeinsames Büro mit René Hochuli. 1996-98 Lehrauftrag an der Zürcher Hochschule Winterthur.
René Hochuli
1962 in Uster (CH) geboren. 1982-89 Architekturstudium an der ETH Zürich. Seit 1992 gemeinsames Büro mit Margrit Althammer. 1998-2007 Lehrauftrag und Professur an der Zürcher Hochschule Winterthur.
ushitamborriello, Innenarchitektur & Szenenbild
Ushi Tamborriello
1984-89 Studium der Innenarchitektur in Wiesbaden, freischaffende Designerin. 1997-99 Szenografie-Studium in München. Seit 2004 Atelier in der Schweiz.
Karl R. Kegler
1968 geboren. Studium der Architektur, Philosophie und Geschichte in Köln und Aachen, 1997 Diplom. Bis 2004 Geschäftsführung des Forums »Technik und Gesellschaft«, RWTH Aachen. Lehr- und Beratertätigkeit.
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