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Gebrauchsuntauglich nach DIN 18065?

Neue DIN 18065 begünstigt Schäden an Aussentreppen und erhöht Unfallrisiken
Gebrauchsuntauglich nach DIN 18065?

Gebrauchsuntauglich nach DIN 18065?
[1] Wird eine Außentreppe DIN-gerecht, aber ohne ausreichendes Gefälle gebaut, sind Schäden wie etwa hier vorprogrammiert: Über die Fugen in den Mörtel gelangte Niederschläge wurden gestaut, was zu Kalkauswaschungen führte. Das Calciumhydroxid kristallierte dann zu wasserunlöslichem Calciumcarbonat
Im Juni 2011 wurde die aktuelle Norm DIN 18065 Gebäudetreppen – Begriffe, Messregeln, Hauptmaße – eingeführt. Wie das frühere Regelwerk gilt sie für alle Arten von Treppen in und an Gebäuden, also auch für mit dem Bauwerk verbundene Außentreppen. Ein umfangreiches und technisch anspruchsvolles Regelwerk, das allerdings einen entscheidenden Fehler aufweist: Kontergefälle bis zu 1 % werden auf Trittstufen von Außentreppen ausdrücklich zugelassen, ein ausreichendes Gefälle hingegen, das eine pfützenfreie Entwässerung gewährleistet, widerspricht dieser Norm.

Text und Foto: Walter Gutjahr

Technische Regelwerke sollen, wenn sie aktuellen Datums sind, die allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben. Sie bilden einen Maßstab bzw. die Sollausführung für einwandfrei ausgeführte Gewerke ab und können auch sicherheitstechnische Festlegungen und Regelungen enthalten. Von den technischen Regeln wie Ausführungsempfehlungen, Richtlinien, Merkblätter und DIN-Normen besitzen letztgenannte die größte Bedeutung. Bei diesen besteht – juristisch gesehen – eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie anerkannte Regeln der Technik sind. D. h., Normen müssen deshalb verlässlich und im Streitfall auch rechtssicher sein.
Im Widerspruch zu bewährten Fachregeln
DIN 18065 Gebäudetreppen legt mit einem Umfang von fast 50 Seiten Begriffe, Messregeln und Hauptmaße in detaillierter Form anschaulich fest und bietet seit ihrer Aktualisierung im Juni 2011 mit besonders vielen Skizzen und praktischen Beispielen Anwendern eine hilfreiche Grundlage. Nicht schlüssig ist allerdings, dass diese Norm generell nicht unterscheidet, ob es sich um Innen- oder bewitterte Außentreppen handelt. In der neuen Tabelle 2 zu Toleranzen wird unter Punkt 7.6 festgelegt, dass Auftrittsflächen von der waagerechten Lage maximal in der Auftrittstiefe +/- 1 % abweichen dürfen. Unter 7.7 wird zusätzlich unterstrichen, dass gegenläufige Neigungen dann zulässig sind, wenn sie innerhalb der Toleranzen nach 7.6 liegen. Hier wird ausdrücklich hervorgehoben, dass mit Kontergefälle ausgeführte Auftrittsflächen (Stufen) einer normgerechten Ausführung entsprechen. DIN 18065 verlangt folglich für Auftrittsflächen zu wenig, kein oder sogar Kontergefälle. Allenfalls bei dem maximal zulässigen Gefälle von 1 % und einem relativ glatten, ebenen Stufenbelag (der allerdings gerade für Stufen im Außenbereich ungeeignet ist) könnte also eine rückstaufreie bzw. pfützenfreie Entwässerung möglich sein.
Im Gegensatz dazu fordern die Merkblätter verschiedener Verbände grundsätzlich ein Gefälle für Außentreppen: So etwa das Merkblatt des Deutschen Naturwerkstein-Verbands (DNV) »Bautechnische Informationen 1.3 Massivstufen und Treppenbeläge außen« von 2013. Danach sollten frei bewitterte Treppenstufen mit geschliffener Oberfläche mindestens 1,5 % Gefälle aufweisen. Bei raueren Oberflächen ist ein Gefälle von 2-3 % vorzusehen. Das nach Norm zulässige Kontergefälle widerspricht auch dem Merkblatt des Fachverbands Fliesen und Naturstein (im ZDB), das für Außenbeläge 1-2 % Gefälle mit dem Hinweis vorgibt, dass die Entwässerung der Belagfläche gewährleistet sein muss (Punkt 2.8 Oberflächengefälle). In der rechtlichen Konsequenz bedeutet dies, dass eine nicht nach Norm, sondern nach den Merkblättern ausgeführte Außentreppe mit ausreichendem Gefälle im Sinne der Norm mangelhaft ist. Dass im Hinblick auf die Entwässerung von Außentreppen jedoch generell gleiche Parameter wie für Außenbeläge anzulegen sind, kommuniziert auch Prof. Rainer Oswald, der bei Außentreppen immer von »gefalteten Dachterrassen« spricht, für die von vergleichbaren baubautechnischen Parametern auszugehen ist.
Normgerecht, aber nicht gebrauchstauglich und schadensresistent
Stehendes Wasser während eines Regens und Pfützenbildung noch längere Zeit danach erhöhen die Rutschgefahr. Wasserpfützen, die sich bei normgerechter Ausführung nie ganz vermeiden lassen, führen auf Auftrittsflächen zu einem erhöhten Schmutzbefall, Ablagerungen und einer erhöhten Algenbildung. Denn anders als in innenliegenden Wohnbereichen werden Außentreppen nicht in kurzen Intervallen gereinigt. Schon die durch Pfützenbildung allein wesentlich erhöhte Rutschgefahr kann sich auf dann schmierigen und im Winter vereisten Laufflächen der Auftritte drastisch steigern. Normgerecht ausgeführte Außentreppen, bei denen Pfützenbildung billigend in Kauf genommen wird, erhöhen folglich die Rutschgefahr und begünstigen Stürze. Solche Außentreppen sind schlicht gesagt gebrauchsuntauglich.
Auch das Merkblatt für »Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr« (BGR, Berufsgenossenschaftliche Regel, 181) führt aus, dass Rutschunfälle vom Material und von der Oberflächenstruktur des Bodenbelags und von dem Grad der Verschmutzung durch gleitfördernde Stoffe beeinflusst werden. Und das ZDB-Merkblatt »Schwimmbadbau« fordert (unter Punkt 12) für Bodenbeläge, die durch Feuchtigkeit hoch beansprucht werden, schon aus sicherheitstechnischen Gründen ein Gefälle und eine ausreichende Anzahl von Bodenabläufen. Dabei ist davon auszugehen, dass die in den zitierten Merkblättern gemeinten Innenbereiche in kurzen Intervallen – anders als im Außenbereich – gereinigt werden.
Die Forderung verschiedener Regelwerke zum notwendigen und ausreichenden Gefälle von Außenbelägen geschieht aber auch aus dem Grund der Schadensminimierung. Mit Fugen verlegte Außenbeläge aus Natur- und Betonwerkstein oder aus keramischen Fliesen sind nicht wasserdicht. Bei stehendem Wasser sickern wesentlich größere Wassermengen in die darunter befindlichen Mörtelschichten. Größere Stauwassermengen in Verlegemörteln schädigen diese bei Frost und führen zu verstärkten Kalkausscheidungen (Calziumhydroxid) aus den Fugen und seitlichen Stufenköpfen. Solche Schäden könnten nur dann noch verhindert werden, wenn eine ausreichend hohe, kapillarbrechende Stufendrainage auf einer mit (mind. 1 %) Gefälle hergestellten Betonstufe als Unterkonstruktion vorgesehen wird.
Absichern!
Wohl wissend um die erhöhten Schadensrisiken und einer kürzeren Haltbarkeit nach Norm verlegter Treppenbeläge müsste der Fachbetrieb oder der Planer seinen Auftraggeber über oben genannte Punkte hinreichend aufklären. Ansonsten werden Planer und Ausführende eventuell im Streitfall das Nachsehen haben. Daher sollte man unbedingt Bedenken gegen eine normgerecht auszuführende Außentreppe anmelden und Gewährleistungsrisiken, die damit verbunden sind, ausreichend artikulieren – mit schriftlicher Gegenzeichnung durch den Auftraggeber. Gleichzeitig sollten Planer und Ausführende Bauherren darauf hinweisen, dass eine gebrauchstaugliche Außentreppe nicht der Norm entsprechen kann und deshalb zwangsläufig als Sonderkonstruktion gilt.
Nur wer seinen Auftraggeber vorher ausführlich zum Für und Wider informiert und sich die eine oder andere Lösung schriftlich bestätigen lässt, kann langwierige Prozesse vermeiden. Denn vor Gericht lädt die Widersprüchlichkeit der Regelwerke zum Streiten ein: Je nachdem, über welche Ausführung einer Außentreppe – gebrauchstauglich oder normgerecht – gestritten wird, greifen Juristen auf das passende Regelwerk zurück.
Einsprüche abgewiegelt
Die Fachverbände und mehrere in der Branche bekannte Sachverständige haben den Normausschuss NA 005–09–86 auf die Unvereinbarkeit der DIN 18065 unter Pos. 7.6 und 7.7 der Tabelle 2 mit der seit Jahrzehnten erprobten Wirklichkeit und den Merkblättern der Fachverbände mehrfach hingewiesen. Eine regelmäßige Antwort lautete: »Das Schutzziel, das mit der DIN 18065 verfolgt wird, ist die Sicherstellung der sicheren Begehung einer Treppe. Man war sich einig, dass von den Regelungen der DIN 18065 unter bestimmten Bedingungen abgewichen werden kann. Abweichende Einzelregelungen durch materialspezifische Sondervorschriften (anerkannte Regeln der Technik) für den Außenbereich werden demnach akzeptiert.« Eine sehr schwammige Formulierung! Eine Klarstellung innerhalb der DIN-Norm wäre jedoch so einfach gewesen. Man hätte in Tabelle 2, Pos. 7.6, lediglich darauf hinweisen müssen, dass die angegebene Toleranz nur für Innentreppen gilt und im Außenbereich auf Auftritten ein funktionsfähiges Gefälle (je nach Oberflächenstruktur bis zu 3 %) vorzusehen ist, sodass stehendes Wasser vermieden wird.
Es ist schade, dass ein ansonsten so herausragendes Regelwerk, an dem viele kompetente Fachleute mitgewirkt haben, einen so groben und folgenreichen Fehler enthält. Noch bedauerlicher ist die praktizierte Hartleibigkeit des DIN-Ausschusses, mit der man Bitten um Korrekturen abgewiesen hat. Der Glaube an die Kompetenz und fachliche Souveränität dieses DIN-Ausschusses wird dadurch nachhaltig erschüttert. Wie schnell solche Erfahrungen verallgemeinert werden, erleben wir leider oft genug. Für das Deutsche Institut für Normung kann daraus ein erheblicher Imageschaden erwachsen. Bemerkenswert ist, dass für den DIN-Ausschuss ein einmaliges Fluchtereignis bei trockenem Wetter einen offensichtlich höheren Rang einnimmt als die dauernde Gebrauchstauglichkeit einer Außentreppe.
Haftungsrechtlich kompliziert
Ich bin weder Jurist noch Versicherungsfachmann. Doch abzusehen ist schon: Die Unvereinbarkeit zweier Fachregeln im Hinblick auf das Gefälle von Außentreppen birgt auch haftungsrechtlichen Sprengstoff. Handeln Planer und Ausführende in gutem Glauben an das höchstrangige Regelwerk und passiert ein Unfall oder ein Schaden, wer steht dann dafür gerade? Kann hier ein Rückgriff auf die Verfasser des Regelwerks genommen werden, wenn, wie hier nachweisbar, auf diese Fehler bereits kurz nach Herausgabe der neuen DIN hingewiesen wurde? Liegt hier grob fahrlässiges bzw. vorsätzliches Verhalten vor, und wie werden sich Unfall- und Haftpflichtversicherer dazu positionieren?
Für den in einem solchen Streitfall hinzugezogenen Sachverständigen ergeben sich weitere Fragen: Soll er in seiner Beurteilung den Vorgaben der DIN 18065 folgen, weil diese für ihn das höchstrangige Regelwerk ist? Mit dem Risiko, dass ihn der unvermeidliche Gegengutachter dann als fachlich desorientierten Säckel oder Schwachverständigen bezeichnet? Genauso könnte es allerdings auch umgekehrt laufen. Normen sollen doch die allgemein anerkannten Regeln der Technik widerspiegeln und einen Standard festlegen, an dem sich Fachleute orientieren können. Genau das wurde hier nicht erreicht.
In aktuell erarbeiteten Regelwerken geben Verbände bereits Hinweise darauf, dass Auftraggeber über die DIN-gerechte Ausführung umfänglich zu informieren sind. Soll es aber die Wirklichkeit bleiben, dass Planer und Ausführende vor der Realisierung einer gebrauchstauglichen Außentreppe ihren Auftraggeber darauf hinweisen müssen, dass es sich um eine Sonderkonstruktion handelt? •

Schwachstellen (S. 132)
Walter Gutjahr
1947 geboren. Fliesenlegermeister. Seit 1981 öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Handwerkskammer zu Köln für Fliesen und Natursteinarbeiten.
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