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Auf dem Holzweg

Fertighaus in Stuttgart wird abgerissen
Auf dem Holzweg

Von den legendären Holzfertighäusern der Firma Christoph & Unmack gibt es nicht mehr viele. Eines der letzten erhaltenen Exemplare, 1927 von Hans Zimmermann in Stuttgart errichtet, wird nun wider besseres Wissen zerstört.

Text: Kathrin Wesely

Hans Scharoun, Henry van de Velde, Hans Pölzig und Konrad Wachsmann – die Liste der Architekten, die in den 20er Jahren für das Holzbau-Unternehmen Christoph &Unmack tätig waren, liest sich beeindruckend. In Stuttgart war es der weniger bekannte Hans Zimmermann, der von der Firma ein Gebäude vorfertigen ließ. Für ein Grundstück in begehrter Lage am Kräherwald hatte er ein Wohnhaus entworfen, das stilistisch zwischen landhausartiger Tradition, Expressionismus und Neuem Bauen anzusiedeln ist. In verschalter Holzskelettbauweise erhebt es sich über einen gemauerten Sockel. Das Äußere ist mit drei Zwerchgiebeln und einem Biberschwanzdach noch dem bewährten Formenkanon früherer Jahrzehnte verpflichtet. Lediglich eine Überecköffnung verströmt einen zarten Hauch von Modernität, der im Inneren jedoch an zahlreichen Elementen spürbar ist, etwa an den liegenden Formaten von Türverglasungen und Holzvertäfelungen.
Um die Qualitäten des Einfamilienhauses wussten zuletzt bloß noch ein paar Nachbarn und die Bewohnerin. Die alte Dame, die bis zu ihrem Tod 2012 in dem Haus lebte und die Tochter des Bauherrn war, hatte nichts verändert. Ihr Vater, Reichsbahnoberrat Christian Gugel, war der Schwager des Architekten Zimmermann gewesen. Als die betagte Frau starb, stand das Bauwerk lange leer, zunächst wurde kein Erbe gefunden, dann erwies sich der Verkauf als schwierig. Zeitweise standen die Türen sperrangelweit offen, berichten Nachbarn. Vor gut einem Jahr schließlich erwarb die Projektentwicklungsfirma Planquadrat die Liegenschaft, um das Gebäude abzureißen und auf dem 900-m2-Grundstück ein Mehrfamilienhaus zu errichten. Der rührigen Nachbarschaft ist zu verdanken, dass der Abbruch zunächst verhindert werden konnte. Sie machte die städtische Denkmalbehörde auf das außergewöhnliche Bauwerk aufmerksam, die es daraufhin unter Schutz stellte. Besonders pikant: Die Architekten des Büros Planquadrat sagen, sie hätten den Wert des Gebäudes nicht erkannt: »Wir sind aus allen Wolken gefallen«, erinnert sich Geschäftsführer Wolf-Dieter Roetzer, »wir sind alle vom Fach, und keiner hat dem Haus das angesehen«.
Zwar mag man dem Bau seine technikgeschichtliche Bedeutung nicht anmerken, aber gestalterische Besonderheiten wie das holzvertäfelte Herrenzimmer, die vom Bauhaus inspirierte Küche, die hölzerne Heizkörperverkleidung im Stil eines Frank Lloyd Wright, die alten Türgriffe, Radiatoren und viele andere Details – alle noch im Ursprungszustand vorhanden – hätten dem geschulten Blick kaum entgehen dürfen. Wie kann man als Architekt nur auf die Idee kommen, ein Gebäude mit so unverkennbaren Qualitäten abzubrechen?
Im Sommer 2014 wurde das leerstehende Bauwerk dann in die Liste der Kulturdenkmale Baden-Württembergs aufgenommen – als »außergewöhnlich authentisches Beispiel eines Holzhauses in Fertigteilbauweise«. An seinem Erhalt bestehe »wegen seines exemplarischen und dokumentarischen Wertes und wegen seines hohen Maßes an Originalität und Integrität ein öffentliches Interesse«. Abgerissen wird es nun trotzdem.
Denn wie so oft beruft sich der Eigentümer auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit des Denkmalerhalts: Planquadrat legte dar, dass Sanierungskosten im sechsstelligen Bereich anfallen würden. Die Denkmalbehörde hat diese Zahlen von einem externen Ingenieurbüro prüfen lassen; sie seien korrekt. Da sich in den folgenden Monaten niemand fand, der Planquadrat die Immobilie wieder abkaufte, musste die Behörde dem Abbruch schließlich zustimmen. Sie konnte lediglich noch eine ausführliche Dokumentation des Gebäudes verlangen. Bevor die Bagger anrücken, wird es nun von Fachleuten des Landesdenkmalamtes fotografiert und vermessen. Papiere und Dateien sind dann alles, was von dem Haus bleibt. •
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