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Ortsbildverträgliche Nachverdichtung

Mehrfamilienhaus in Winterthur (CH)
Ortsbildverträgliche Nachverdichtung

Bei der Erweiterung eines Wohnhauses greifen Schneider Gmür Architekten charakteristische Elemente wie den großen Überstand des dominanten Daches auf und interpretieren sie um. Nebenbei entwickeln sie dabei einen neuen Typus des Wohnens am Hang.

Das Projekt erhielt eine Anerkennung beim db-Wettbewerb »Respekt und Perspektive« Bauen im Bestand 2016.

{Architekten: Schneider Gmür Architekten; Tragwerksplanung: KRATTIGER ENGINEERING/ Schnewlin + Küttel
{Text: Hubertus Adam; Fotos: Pit Brunner

Verdichtung ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit – nicht nur im urbanen Kontext, sondern auch in der Vorstadt und auf dem Land. Die Häuser an der Weinbergstrasse im Nordwesten Winterthurs fallen in den Kontext vorstädtischen Wohnens. Zeilen- und Einzelbauten flankieren, von Hecken umgeben, die Straße, einige der Bauten lassen die landwirtschaftliche Vergangenheit des Quartiers erkennen.
Das Haus über quadratischem Grundriss, dessen Erweiterung 2015 fertiggestellt wurde, stammt aus dem Jahr 1929 und wirkt wie eine vorstädtische Villa, wenn auch in einer ländlich inspirierten, klassischen Formensprache. Der verputzte Mauerwerksbau wird von einem imposanten traufständigen Satteldach bekrönt; der die Hauptfassade akzentuierende, mittig angeordnete Risalit verbirgt das Treppenhaus. In Wahrheit handelte es sich nicht um eine wirkliche Villa, denn das Gebäude umfasste pro Geschoss eine Wohnung.
Weil die Wohnungen – insbesondere hinsichtlich der Größe – nicht mehr den heutigen Ansprüchen einer Familie entsprachen und weil das sich nach Süden erstreckende Grundstück noch bauliche Potenziale bot, entschied sich die Bauherrschaft für eine Nachverdichtung und betraute damit das ortsansässige Büro Schneider Gmür Architekten. Die Planer erstellten diverse Volumenstudien; schließlich fiel die Wahl auf eine rückwärtige Erweiterung.
Diese besteht aus einem schmaleren Zwischenbau, der südöstlich an den Bestand andockt, und einem breiteren Baukörper als Abschluss im Süden. Altbau und Ergänzung bilden eine dreigliedrige Gruppe mit einem sich nach Westen öffnenden Hof. Damit gelang es, die quartiertypische Körnung der Volumina zu bewahren, was besonders beim unveränderten Blick von der Weinbergstrasse positiv ins Auge fällt. Und durch die Kompaktheit der ebenfalls dreigeschossigen Erweiterungen blieb auch vom rückwärtigen Garten so viel erhalten wie möglich.
Vom Dach zur Dachlandschaft
Gemeinhin bestehen derlei Erweiterungen aus boxartigen Volumina, die sich schon durch ihre Materialisierung vom Bestand abheben. Schneider Gmür Architekten aber verfolgten einen anderen Weg, indem sie Alt und Neu aneinander anglichen und damit in eine ausgewogene Balance brachten. Auch wenn der Anbau als präfabrizierte Holzkonstruktion realisiert wurde, erhielt er einen Verputz wie das historische Gebäude von 1929. Bei einigen Details lassen sich selbstverständlich Unterschiede ausmachen: Die Fensterflächen sind größer, die Laibungen nicht aus Stein und an die Stelle von Fensterläden treten ausklappbare Storen.
Der Zwischentrakt umfasst Küchen und eine zusätzliche Nasszelle, das südliche Volumen die großzügigen Wohnzimmer, der kleinteilige Bestand nimmt die Schlafräume auf. Damit erübrigten sich allzu schwere Eingriffe in den Altbau und die bestehenden Wohnungen konnten entlastet werden, wobei die Eingangssituation mit dem Treppenhaus sich nicht verändert hat. Über Treppen innerhalb der Wohnung erreicht man die jeweils um ein Halbgeschoss versetzten Ebenen, die dem Gelände folgen und sich den Hang hinunterstaffeln. Diese Variante des Terrassenhaustypus‘ erzeugt ein besonders abwechslungsreiches Raumerlebnis. Mit Parkett in den Wohnbereichen und Fliesenböden in den Nassbereichen wird auch im Innern auf Kontinuität bei den Oberflächen gesetzt.
Der größte Clou der Erweiterung ist ohne Zweifel die abgetreppte Dachlandschaft, die der oberen Wohnung ihren Charme verleiht. Schneider Gmür adaptieren die Idee des Satteldachs, das zwar abstrakter ausformuliert ist, aber mit Dachüberstand und -neigung Elemente des Bestands aufgreift. Durch die Hangsituation verschieben sich die Geometrien, sodass eine dynamische Dachlandschaft entsteht, welche die Biederkeit des Bestands auf subtile und letztlich auch ironische Weise unterläuft.

Jurybegründung:

Bei der Erweiterung eines Wohnhauses greifen Schneider Gmür Architekten charakteristische Elemente wie den großen Überstand des dominanten Satteldaches auf, interpretieren sie im Anbau neu und fügen das Ganze zu einer stimmigen Einheit. Das Projekt zeigt, wie sich suburbane Nachverdichtung ortsbildverträglich gestalten lässt. Ganz nebenbei entwickeln die Architekten dabei einen neuen Typus des Wohnens am Hang.


Standort: Weinbergstrasse 35, CH-8400 Winterthur
Bauherr: Susanne Boss/Michael Boogman, Regula Müller/Peter Baumann
Architekten: Schneider Gmür Architekten, Winterthur
Tragwerksplanung: KRATTIGER ENGINEERING, Happerswil/Schnewlin + Küttel, Winterthur
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