Ein Designer im Kalten Krieg. Von Jochen Eisenbrand, Hardcover, 495 S. mit zahlr. Abb., 52 Euro, Park Books, Zürich 2014
~Markus Zehentbauer
George Nelson (1908-86) kannte man bisher v. a. als Designdirektor des Büromöbelherstellers Herman Miller und für seine poppigen 50er-Jahre-Entwürfe wie das Marshmallow Sofa, den Coconut Chair oder die Ball Clock. Dass er im Auftrag der Vereinigten Staaten auch zahlreiche komplexe Ausstellungen gestaltet hat, wussten hingegen die wenigsten. Darunter war beispielsweise auch die größte, die die USA jemals außerhalb ihres Landes gezeigt haben: 3 000 t Material wurden 1959 nach Moskau in den Sokolniki-Park geschafft, zwei Buckminster-Fuller-Domes und ein riesiger Glaspavillon aufgebaut, Hallen aus 90 Fiberglas-Schirmen zusammengesetzt. Tausende Konsumartikel von 700 amerikanischen Firmen, die den »American way of life« demonstrieren sollten, waren hier zu sehen wie in einem Trojanischen Pferd – mitten im Kalten Krieg, mitten in Moskau, wo 2,7 Mio. Besucher sich die »American National Exhibition« anschauten. Der Chefdesigner dieser nur durch ein besonderes Kulturabkommen möglich gewordenen Ausstellung George Nelson wählte die einzelnen Produkte aus, er konstruierte das Präsentationssystem Jungle Gym, gestaltete das Logo und alle Beschriftungen, und er entwickelte eine völlig neuartige Ausstellungsarchitektur, die komplett aus Fiberglas hergestellt wurde: ein elegantes, modulares System aus überdimensionalen Schirmen, beinahe 7 m hoch, mit Dächern, die 5 m Durchmesser hatten, und hohlen Pfeilern, die sich nach unten deutlich verjüngten. Als Ausstellungsgestalter und -manager war Nelson, der Design v. a. als Kommunikation verstand, ganz in seinem Element, ging es dabei doch um das Zusammenwirken von Architektur, Design, Fotografie, Film und Grafik. Und genau mit diesem bisher wenig bekannten Aspekt seines Werks beschäftigt sich die üppig illustrierte Studie »Ein Designer im Kalten Krieg« von Jochen Eisenbrand, eine an der Bergischen Universität Wuppertal eingereichte Dissertation. Eisenbrand, Chefkurator am Vitra Design Museum, konzentriert sich dabei insbesondere auf die sieben Ausstellungen, die Nelson 1957-72 für die United States Information Agency, den offiziellen Propagandaapparat der USA, realisierte – und erzählt damit auf äußerst spannende Art und Weise, wie eng Politik und Gestaltung verschränkt sind.
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