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Böhm-Siedlung in Köln-Chorweiler soll saniert werden

Erst totgestrichen, dann totgedämmt?
Böhm-Siedlung in Köln-Chorweiler soll saniert werden

Die rau geschalten Sichtbetonwände verbergen sich bereits hinter einem hellgrauen Schutzanstrich, nun sollen die Bauten energetisch saniert werden. Gottfried Böhms Siedlung Seeberg-Nord setzte Maßstäbe im Sozialen Wohnungsbau, doch ob die Eigentümerin mit diesem Erbe umzugehen weiß, muss sich erst noch zeigen.

Erst totgestrichen, dann totgedämmt?

Text: Claudia Hildner
Gottfried Böhm kann nicht nur Kirchen: Das zeigt sich u. a. an seiner Siedlung Seeberg-Nord bei Köln. Das als Sozialer Wohnungsbau errichtete Quartier grenzt direkt an den Stadtteil Chorweiler, der lange Zeit als Ghetto verschrien war. Es unterscheidet sich jedoch in seiner skulpturalen und räumlichen Qualität deutlich von den Nachbargebäuden, denen die Kostenschranken beim Bau deutlich anzusehen sind. Auftraggeber von Seeberg-Nord war die Aachener Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft (AWSG), die noch heute Eigentümerin der Bauten ist. Sie hätte Grund, auf das zwischen 1966 und 1974 entstandene Ensemble stolz zu sein. Doch die AWSG hält den Ball in Bezug auf die Böhm’sche Architektur eher flach, wohl aus Sorge, der Denkmalschutz könnte die Siedlung unter seine Fittiche nehmen. Eine dringend benötigte energetische Sanierung könnte dann teurer als geplant ausfallen.
Böhms Siedlung zeichnet sich durch ihre kleinteilige Struktur aus verschiedenen, jeweils individuell gestalteten, Wohngebäuden aus. Das markanteste ist ein achtgeschossiger Bau, der durch seine gebogene Grundrissform und die Balkone die nördliche Kante eines Platzes definiert. Gegenüber sitzen sechsgeschossige Häuser, deren Erschließung durch einen frei stehenden Treppenturm, Brücken und Laubengänge die Südseite prägt. Vom Platz aus ist eine schmale Fußgängerstraße zu erreichen, mit einer fünf- bis siebengeschossigen Zeile auf der einen und zwei- bis dreigeschossigen Bauten auf der anderen Seite. Letztere sollen Senioren ein Zuhause bieten. Die Siedlung als Ganzes besticht durch ihre wechselnden Rhythmen, die zahlreichen Details und das lebhafte Licht- und Schattenspiel. Farblich abgesetzte Fensterrahmen, Faschen und Geländer variieren die Architektur, die mit einer ebenso einheitlichen wie abwechslungsreichen Erscheinung aufwartet.
Dass die Bauten inzwischen stark sanierungsbedürftig sind, zeigt sich v. a. am hohen Heizenergiebedarf; eine energetische Sanierung – auch zur Reduzierung der Nebenkosten – ist unumgänglich. Die Frage ist allerdings, wie sich die Eigentümerin diese Ertüchtigung vorstellt. Wird die bestehende Innendämmung erneuert und gegebenenfalls verstärkt? Oder soll das Ensemble – der bauhistorischen Bedeutung und gestalterischen Qualität zum Trotz – kostensparend in ein WDVS gepackt werden? Solche Befürchtungen lassen sich durchaus hegen. Denn vorangegangene Sanierungen erfolgten nicht immer mit dem größten Fingerspitzengefühl. So wurden etwa die rau geschalten Betonflächen mit einem deckenden Schutzanstrich versehen; dabei überpinselte man auch die aufstrebenden grünen Ranken, mit denen Böhm den frei stehenden Treppenturm grafisch gestaltet hatte. Auch die Zukunft der zwei- bis dreigeschossigen Bauten für Senioren ist ungewiss: In die Wohnungen im OG führen außen liegende Treppen, die für manche ältere Menschen schwer zu bewältigen sind und die im Winter laut AWSG beheizt werden müssten, damit sich auf den Stufen kein Glatteis bilde. Der Zustand dieser Treppen ist inzwischen besorgniserregend: Der Beton bröckelt, Pflanzen wuchern aus den Ritzen.
In der Zwischenzeit versucht die Eigentümerin, die angeblichen Bedürfnisse der Bewohner gegen die Architektur auszuspielen. »Was der Architekt sich gedacht hat, funktioniert nicht«, sagte Geschäftsführer Jan Camps etwa in einem Artikel des Kölner Stadt-Anzeigers im Jahr 2013. »Die Qualität der Architektur mag da sein, aber die Häuser sind in erster Linie für die Menschen da.« Sollen so schon vorab einschneidende Veränderungen an der Gestalt der Siedlung gerechtfertigt werden? Gerhard Marx, stellvertretender Leiter der Wohnungsverwaltung der AWSG, nennt Böhms außerordentlichen Beitrag zum Sozialen Wohnungsbau im Kölner Wochenspiegel gar »für die Klientel nicht angemessen«.
Das Amt für Denkmalschutz und Denkmalpflege der Stadt Köln ist sich im Übrigen noch unsicher, wie mit der Architektur der 60er und 70er Jahre im Allgemeinen und der Böhm-Siedlung im Besonderen umzugehen ist. Die Meinungsbildung dazu sei noch nicht abgeschlossen, lässt der Stadtkonservator mitteilen. Es bleibt zu hoffen, dass die AWSG – deren Gesellschafterkreis übrigens die wohlhabenden Erzbistümer und Bistümer Aachen, Essen, Köln, Münster, Paderborn und Trier umfasst – die Denkpause des Amtes nicht dazu nutzt, die Siedlung in Styropor zu packen und unter dem Gesichtspunkt der durchgehenden Barrierefreiheit so kostengünstig wie möglich umzukrempeln.

siehe auch db 10/1995, S. 119-123,
Rubrik: »… in die Jahre gekommen«
»Das andere Viertel«


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