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18 Uhr: Ankommen in Zug

Bahnhof in Zug (CH)
18 Uhr: Ankommen in Zug

In der Schweiz haben sich Bundesbahnen und lokale Verkehrsbetriebe zu einer Partnerschaft zusammengeschlossen, um eine durchgehende Verkehrskette zu gewährleisten. Dabei spielen die Bahnhöfe als zentrale Drehscheibe eine besondere Rolle. Mit dem Bau ihres hochmodernen Terminals ist die Stadt Zug optimal in das Gesamtnetz eingebunden. Zwei, die V-förmige Gleisgeometrie begleitenden Baukörper spannen eine zentrale, glasüberdeckte Halle auf.

The swiss railways and local transport companies have entered into partnership with the aim of ensuring a continuous transport service. Here the railway stations play a special part as inter- sections. The town of Zug is optimally integrated in the whole network with its supermodern teminal: two buildings follow the V-form rail geometry, a glass roof spanning the central concourse.

Die Bahn hat in der Schweiz ihre bedeutende Rolle im Wettbewerb der Verkehrsträger stets behauptet. Sie kann sich bis heute einer internationalen Vorbildfunktion in Bezug auf Dichte und Qualität ihrer Dienstleistungen rühmen und erfüllt somit das alte Klischee der Schweizer Präzision. Die Fortschreibung dieser Erfolgsgeschichte bedingt anhaltende Investitionen und Innovationen. Erst im vergangenen Dezember wurde die Neubaustrecke Mattstetten – Rothrist in Betrieb genommen, Herzstück des 1987 begonnenen und rund sechs Milliarden Franken teuren Infrastrukturprojekts »Bahn 2000«. Nächstes ambitioniertes Vorhaben ist die »Neue Eisenbahn-Alpentransversale« (NEAT) mit je einem Basistunnel am Lötschberg und am Gotthard. Eine Beratungsgruppe Gestaltung unter Leitung des ehemaligen Chefarchitekten der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), Uli Huber, sorgt für ein einheitliches Erscheinungsbild der Kunstbauten und eine geschickte Einbettung in die Landschaft.

Doch nicht nur in die Infrastruktur, auch in die Architektur wird bei der SBB stetig investiert. Nicht wenige Projekte machten in diesem Zusammenhang durch ihre architektonische Qualität von sich reden, so etwa der Umbau des Bahnhofs Frauenfeld (arc-Architekten, 1993–2000). Und auch im gestalterisch sonst oft vernachlässigten Bahnhofsumfeld gab es viel beachtete Neubauten: Genannt seien hier die Stellwerke von Herzog & de Meuron (1992–1999) und Morger, Degelo (1996 –2001).
Vollständige Bahnhofsneubauten sind jedoch auch in der Schweiz selten, sieht man einmal vom Luzerner Empfangsgebäude ab, das durch Feuer zerstört wurde (Hans Peter Amman, Peter Baumann und Santiago Calatrava, abgeschlossen 1991). Umso bemerkenswerter erscheint der Bahnhof in Zug, einem Städtchen mit 23000 Einwohnern, rund 40 Kilometer südlich von Zürich. Seine Bedeutung für den Bahnverkehr ist größer als die Einwohnerzahl es ahnen lässt: Hier zweigt in einem westlichen Bogen die Strecke nach Luzern von der nordsüdlich verlaufenden Verbindung in Richtung Gotthard ab. Täglich passieren 25000 Menschen den zehntgrößten Bahnhof der Schweiz. Beide Strecken führen auf 4,5 Meter hohen Dämmen durch das Stadtgebiet und laufen in einem Dreieck nördlich der Altstadt zusammen. Hier steht seit 1897 das Bahnhofsgebäude. Die Lage an dieser Stelle war der Grund für die Ausdehnung der Stadt in diese Richtung. Heute finden sich hier vor allem in den letzten drei Jahrzehnten errichtete Geschäftshäuser und Shopping-Paradiese, die man somit glücklicherweise aus dem idyllischen historischen Ortskern herausgehalten hat. Allerdings wirkten dass Bahnhofsgebäude und die Dämme von Anfang an als massive Sperre zwischen den westlich und östlich entstandenen Stadtteilen. Einzig ein drei Meter breiter und zwei Meter hoher Tunnel sorgte für eine (düstere) Verbindung. Bereits ab den fünfziger Jahren wurde die Situation bemängelt und verschiedentlich ein Neubau des Bahnhofs an gleicher Stelle gefordert.
Der Zürcher Architekt Klaus Hornberger verfolgte dieses Projekt seit 1989. Damals belegte er den ersten Platz in einem Ideenwettbewerb. Mehrfach musste er das Projekt verändern, bevor die SBB, die Gemeinde und der Kanton Zug 1999 ihre Zustimmung gaben. Anfang 2000 begann der Abbruch des Altbaus, und im November 2003 konnte der neue Bahnhof bereits in Betrieb genommen werden.
Entsprechend des durch die Gleisgeometrie vorgegebenen Parzellenzuschnitts sah Hornberger ein Gebäude auf dreieckigem Grundriss mit Altbau-Spitze vor (hier musste ein kürzlich modernisiertes Technikgebäude erhalten bleiben): Zwei viergeschossige Baukörper mit Fensterbändern und durchgehenden Fluchtbalkonen folgen dem Gleisverlauf und spannen eine transparente Bahnhofshalle auf (der westliche ist entsprechend leicht gekrümmt).
Die südlichen Kopfbereiche dieser beiden Flügel erscheinen als geschlossene, flächige Monolithe aus dunkelgrau eingefärbtem Sichtbeton. In der Funktion von Pylonen tragen sie den gläsernen Südtrakt mit, der in seinem oberen Teil drei transparente Bürogeschosse aufnimmt. Die Skelettkonstruktion ruht auf nur einer Stützenreihe. Wegen der Auskragung von sieben Metern und einer Spannweite von 35 Metern ist sie auf der Ebene der südlichen Fassadenseite wie eine Brückenkonstruktion zwischen den Gebäudeköpfen eingehängt.
Diese rundum angelegten, nicht öffentlich zugänglichen Bürogeschosse sind zwar eine Konzession an die Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens, ihre offenen Erschließungsgalerien aber prägen die Halle und korrespondieren mit der Horizontalgliederung des Außenbaus. Gleichzeitig rechtfertigen sie die im Verhältnis zur Grundfläche beachtliche Höhe der Bahnhofshalle von 20 Metern. Dadurch wiederum kann sie ungekünstelt als urbaner Raum wirken, unterstützt von der Unregelmäßigkeit ihrer Geometrie und dem Verzicht auf eine Klimatisierung. Ebenfalls ganz selbstverständlich und logisch angeordnet wirkt die Verkehrsfunktion der Halle: Sie verbindet die vom See beziehungsweise von der Stadt hierher führende Südachse mit der neu geschaffenen großzügig dimensionierten Ost-West-Verbindung, die – von Läden und Infrastruktureinrichtungen gesäumt – alle Bahnsteige erschließt und die lang entbehrte Verbindung der getrennten Stadtteile herstellt.
Vor der Südfassade wurde in der zur Altstadt weisenden Straße der Abfahrtsbereich der Busse umgestaltet. Mit seiner erneuerten Dachkonstruktion und dem einheitlichen, bis an das Empfangsgebäude reichenden Straßenbelag ist er deutlich als zum Bahnhofsbau gehörend zu erkennen und trägt so optisch zur Verzahnung der gewachsenen Stadt mit dem Neubau bei. Prägnant, vielleicht sogar etwas abweisend, vermag sich die Südfassade mit ihren massigen dunklen Pylonen beim Blick vom See zu behaupten, einladend wirkt hingegen eine Art Portikus, der dadurch entsteht, dass die beiden unteren Geschosse gegenüber den auskragenden Obergeschossen eingezogen sind. Wer will, mag in dieser Motivkombination einen späten Nachhall der im 19. Jahrhundert in Bezug auf Bahnhöfe nicht unüblichen Stadttormetaphorik sehen.
So sah es jedenfalls auch Matthias Haldemann, der Direktor des Kunsthauses Zug. Um das Stadttor gar zur »leuchtenden Stadtkrone« zu adeln, nahm er Kontakt mit dem amerikanischen Lichtkünstler James Turrell auf, dessen Installation »Light Transport« nun allabendlich den Charakter des funktionalen Bauwerks radikal ändert: Aus insgesamt 2700 Metern Fluoreszensröhren werden der Halleninnenraum und die Südfassade in verschiedenartige, unvorhersehbare Lichtsequenzen getaucht. Sie ergeben jeweils Szenerien von 90 Minuten Dauer und sollen die »profane Bahnhofshalle« (Haldemann) in einen suggestiven Farbraum verwandeln.
Bauseitig mussten dafür eine Reihe von Vorraussetzungen geschaffen werden, die sich bei Tag möglichst unauffällig in das Gebäude einfügen sollen: sandgestrahlte Glasbrüstungen an den Galerien, gelochte Metallplattendecken an deren Unterseiten und ein Siebdruckraster unter den gläsernen Shed-Dächer sorgen ebenso für gute Reflektionsflächen wie automatisch herunterfahrende Rollos und Rafflammellenstoren in den Büros, die zugleich verhindern, dass die dortige Beleuchtung die Lichtinstallation stört.
Es wäre schön, wenn die eindrucksvolle und publikumswirksame Lichtinstallation den Blick auch verstärkt auf deren »profanen« Träger lenken würde. Seine Qualitäten sind gerade das Unspektakuläre, das Selbstverständliche. Mit diesen Werten scheinen die SBB in punkto Baukultur das eingangs zitierte Klischee der Schweizer Bahnen zu aktualisieren: Präzision und Vorbildhaftigkeit. L.Q.
Bauherr: Schweizerische Bundesbahnen, SBB; Bern Stadt und Kanton Zug Architekten: Hornberger Architekten, Zürich Mitarbeiter: Klaus Hornberger, Isabelle Dejung, Andri Cajos, Thomas Grahammer Baumanagement: Carette + Weidmann, Zürich Tragwerksplanung: IG Bauingenieure Bahnhof Zug (Berchtold + Eicher, Zug; Ernst Moos, Zug; Gwerder + Partner, Rotkreuz) Haustechnik: Künzle + Partner, Horw-Luzern Lichtplanung: Dieter Dartsch, Riehen Lichtinstallation: James Turrell Bauzeit: 2000 – 2003 Bruttogeschossfläche: 8 430 m² Umbauter Raum: 70 660 m³ Baukosten: 70 Mio sFr
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