~Ulf Meyer
Der sechsstöckige Stahlskelettbau im Stadtteil Shibaura enthält flexible Werkstatträume und mehrere Terrassen und Patios, die über gekrümmte Treppen miteinander verbunden sind. Der Bauherr, die Werbeagentur Kohkoku Seihan, wollte ein Gebäude, das »sich öffnet« und die Grenzen zwischen öffentlich, halböffentlich und privat verschwimmen lässt.
Die Architektin Kazuyo Sejima, die dieses Projekt ohne ihren SANAA-Partner Ryue Nishizawa entworfen hat, kombinierte dazu einen multifunktionalen Ansatz im Grundriss mit maximaler Transparenz der Fassaden. Die 35 t schwere, gleißend weiße Stahlkonstruktion ist mit konventionellen Bauelementen ausgefacht: die Nutzräume mit Glas und die Terrassen mit Drahtnetzen. Auf einem kleinen Grundstück bietet der Mini-Turm auf 950 m² Grundfläche Platz für 30 Arbeitsplätze. Auf quadratischen Grundrissen sind offene, teilweise 6 m hohe, weitgehend undeterminierte, fließende Räume entstanden, die verschiedene Nutzungen erlauben und miteinander über Terrassen verbunden sind. Die Nutzer gehen ständig von innen nach außen und von außen nach innen.
Die Eleganz der dünnen Glasfassade geht jedoch auf Kosten der thermischen Qualitäten – ein typisch japanisches Phänomen, das von der Tradition der Shoji (Reispapierwände) herrührt. Durch die unterschiedlich ausgeschnittenen Terrassen und Treppen hat jede Etage einen anderen Grundriss: Über dem Café im EG liegen auf zwei Etagen »Work-Lounges« genannte Großraumbüros. Im »Workspace« darüber werden Webseiten, Videos und Grafiken erstellt. Das Penthouse, »bird room« genannt, ist ein Mehrzweckraum, der für Veranstaltungen und Foto-Shootings vermietet werden kann. Der »Vogelsaal« wird auch für Tanzkurse genutzt und krönt den »vertikalen Ein-Raum« des Shibaura-Hauses.
Sejimas berühmtes Konzept der Offenheit in Grund- und Aufriss führt beim Shibaura-Haus zu – in Japan völlig ungewohnten – Ein- und Ausblicken vom und in den Straßenraum. Dem Grundriss verschafft es eine hohe Flexibilität, die angesichts der schnellen Zyklen von Bau und Abriss in Tokio jedoch kaum Zeit haben wird, sich nachhaltig auszuwirken.
Standort: 3-15-4, Shibaura, Minato-Ku, Tokio 108–0023 Architekten: Kazuyo Sejima, Tokio Fertigstellung: April 2011
Teilen: