~Simone Hübener
Ausnahmen von der Regel können ein Segen sein, wie sich an diesem Neubau zeigt. Da Sakralbauten als Sonderbauten nicht den Vorgaben der EnEV unterliegen, war es möglich, diese Kirche mit 60 cm dicken, monolithischen Wänden aus Dämmbeton zu errichten. Der Maximalwert für den Primärenergiebedarf wird trotzdem nur um 5 % überschritten. Mit ihrer gelblich-bräunlichen Tönung, den teilweise sichtbaren Schüttlagen und den Lunkern ähneln die Oberflächen des pigmentierten Betons dem regionaltypischen Tuffstein und erzeugen außen wie innen eine warme, freundliche Atmosphäre.
Die alte Kirche war baufällig und zu groß, denn die Zahl der Gemeindemitglieder nimmt konstant ab. Die drei Gemeinden, die deshalb zusammengelegt worden waren, luden 2014 vier Architekturbüros zu einem Wettbewerb ein und kürten Ackermann+Raff aus Stuttgart zum verdienten Sieger, wie sich heute zeigt. Die Kirche fügt sich prominent, aber nicht dominant in die umgebende Wohnbebauung ein, die Materialauswahl, u. a. Eichenholz und Schwarzstahl, überzeugt durch ihre Konsequenz und Natürlichkeit.
Die Kirchenbesucher erreichen über eine breite Treppe oder eine Rampe den Kirchhof, der zwischen dem Lärm der angrenzenden Straße und der Ruhe im Innern der Kirche vermittelt – auch durch seine höhere Lage, die gleichzeitig den Niveauunterschied des Geländes von mehr als einem Geschoss ausgleicht. Das helle, großzügige Foyer dient als Bindeglied zwischen dem Gemeindesaal, der sich linker Hand anschließt und dank einer mobilen Trennwand flexibel genutzt werden kann, und dem gegenüberliegenden Kirchenraum, der – typisch für eine Neuapostolische Kirche – sehr introvertiert ist. Die Architekten, die möglichst viel Tageslicht hereinlassen wollten, ließen die quadratischen Fassadenöffnungen mit farbig satiniertem Glas schließen und integrierten indirekte Beleuchtung in die abgestufte Decke, die zu einer Art »Kirchturm« über dem Altar hin ansteigt. Durch ein Fensterband in diesem höchsten Teil des Gebäudes fällt reichlich Tageslicht in den Innenraum. Durch seine einfache und überzeugende Gestaltung zieht der Altar die Blicke auf sich: Mit Schwarzstahl gefasst, wirken die gestapelten, unterschiedlich langen und hohen Hölzer sehr edel, doch keineswegs protzig – wie der gesamte, sehr gelungene Kirchenneubau.
Standort: Bachstraße 40, 72124 Pliezhausen
Architekten: Ackermann+Raff Architekten Stadtplaner, Stuttgart
Bauzeit: März 2015 bis September 2016
db deutsche bauzeitung 06|2017