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Oswald Mathias Ungers – Nachruf und ausführliche Würdigung

Diskurs
Erinnerungen an und Reflexionen zu Oswald Mathias Ungers

Wenige deutsche Architekten seiner Generation genossen international ein vergleichbares Prestige. Für die Architektur hat er das Recht auf eine autonome Sprache eingefordert; sie habe die Fähigkeit, »die materiellen Zwänge künstlerisch zu überhöhen«. Oswald Mathias Ungers, geboren am 12. Juli 1926, starb am 30. September dieses Jahres.

~Wolfgang Pehnt

Die eindrucksvollen bauhistorischen Kenntnisse des Oswald Mathias Ungers konnten auch Leute vom Fach deklassieren. Er war ein architectus doctus, ein gelehrter Baumeister, wie es zuletzt die großen Gentleman-Architekten des 18. Jahrhunderts und die viel geschmähten Historisten des 19. Jahrhunderts gewesen sind. Philosophen verblüffte er mit Nikolaus von Kues oder Karl Popper, Literaturfreunde mit Fundstellen bei Jean Genet oder Samuel Beckett. Als ich ihm nach einem Aufenthalt in Vicenza von meinen Palladio-Eindrücken erzählen wollte – schließlich hatte er beinahe eine ruinöse Palladio-Villa erstanden –, verwirrte er mich mit der Frage nach einem mindest ebenbürtigen Vicenteser Baumeister namens Pizzocaro. Was ich von ihm hielte? Ich hatte ihn gar nicht wahrgenommen. Pizzocaro? Antonio Pizzocaro, Baumeister des 17. Jahrhunderts. Auch in Vicenza scheinen vor Ungers nicht allzu viele Bürger von ihm gewusst zu haben. Heute ist dort immerhin eine Straße nach ihm benannt.
Ungers verfügte über eine legendäre Bibliothek, in der viele Erstausgaben zur Rezeption der großen Klassiker und also auch der Palladianer aus dem Veneto standen. Er musste nur in den Kubus, einen Bibliotheksanbau an sein erstes Haus in Köln-Müngersdorf, steigen oder auf die Leitern in der Mittelhalle seines dritten Hauses, und er hatte zur Hand, was jedem anderen lange Wege in die Spezialbibliotheken und umständliche Genehmigungsverfahren eingetragen hätte. Manche Sammler sammeln Bücher, um sie nicht lesen zu müssen. Ungers sammelte, um nicht eine öffentliche Bibliothek aufsuchen zu müssen, die ohnehin schlechter sortiert gewesen wäre als seine eigene. Vielleicht gibt es in Europa nur eine vergleichbar kostbare Privatbibliothek zum selben Spezialthema, die von Werner Oechslin im Schwyzer Wallfahrtsort Einsiedeln. Die beiden Bibliomanen zu hören, wie sie sich gegenseitig ihre Besitztümer abfragten, war ein Vergnügen eigener Art.
Aus der römischen Provinz
Begonnen hatte diese Laufbahn ganz anders. Ungers war der Sohn einfacher Leute. Er stammte aus Kaisersesch in der Eifel, einem Landstrich karg an fruchtbarem Land, aber reich an archäologischen Bodenschätzen. Trier mit seinen römischen Baudenkmälern war nicht weit; Aufträge haben ihn später mehrfach in die Augusta Treverorum zurückgeführt. Als er es sich leisten konnte, half Ungers sogar, die Ausgrabung einer Villa suburbana zu finanzieren. In der Nähe von Kaisersesch lag Kues, der Geburtsort des Nicolaus Cusanus und seiner Lehre vom Zusammenfall der Gegensätze. Nahe lag auch Maria Laach, unter den großen romanischen Kirchen eine derjenigen, die am strengsten dem Gott, der Geometrie treibt, verpflichtet sind. Ungers hat als junger Mann mehrere Monate bei den Laacher Benediktinern verbracht und dort die wohltätige Ordnung eines ritualisierten Tageslaufes erfahren, der durch das Geläut zur Messe alle drei Stunden gegliedert war. Aus der Eifel kam die schwarze Basaltlava, mit der er 1989 sein kubisches Bibliotheksgehäuse verkleidete, als stets präsente Erinnerung an die eigene Herkunft, und in der Eifel errichtete er sein zweites Domizil, ein archetypisches Haus, umgeben von einer gestalteten Ideallandschaft.
Sein Leben sei wie die römische Wasserleitung verlaufen, pflegte er zu scherzen, von der Eifel nach Köln. Dazwischen lagen allerdings viele andere Stationen. Auf Köln folgte vorübergehend Berlin, wo ihm 1963 der Lehrstuhl von Hans Scharoun angetragen worden war. Man hielt Ungers damals für einen Nachfahren im Geiste Scharouns. Hatte er nicht – zusammen mit Udo Kultermann – die erste Ausstellung und Dokumentensammlung der Künstlergruppe Gläserne Kette zusammengetragen, deren Mitglied Scharoun gewesen war, und sein erstes eigenes Wohnhaus wie einen gestuften Katarakt aus Ziegelstein entworfen, der manchen Zeitgenossen als Spätexpressionismus erschien?
Palladio oder Durand
Solche Erwartungen enttäuschte er mit den typologischen Studien seiner Berliner Lehrzeit, die jedoch seine Studenten faszinierten. Geschichte erschien hier als ein überliefertes Repertoire an Formideen, die geprüft, analysiert, variiert, neu zusammengesetzt werden konnten. So wie keiner der Villengrundrisse Palladios dem nächsten gleicht, und doch alle verwandt sind in ihrer Abfolge von Vorhof, Innenhof, Vorhalle und zentralem Innenraum. Ungers nannte es das Konzept der Transformation, das er in seinem eigenen Formenmaterial wieder und wieder durchspielte. Alle Entsprechungen des Ganzen und seiner Einzelteile waren durch Maßverhältnisse geordnet, »so dass das Gebäude wie ein einheitlicher und vollkommener Körper erscheint« (Palladio). Dabei blieb Palladio stets dicht an den profanen Notwendigkeiten des Bauens. Seine Quattro libri enthalten lange Passagen, in denen es um die günstigste Tageszeit geht, zu der man Bauholz schlägt, oder um die richtige Art, Mörtel herzustellen.
Ein Architekt, der unserer Zeit zeitlich und von der Methode her nähersteht und seinerseits große, neuzeitliche Bauaufgaben zu lösen versuchte, war Jean-Nicolas-Louis Durand. Natürlich finden sich auch seine Werke in der Ungers-Bibliothek. Durand ist nicht durch Bauten, wohl aber durch seine Lehrtätigkeit an der Pariser École Polytechnique und seine Publikationen bekannt geworden, vor allem durch seine Précis des Leçons d’Architecture, die ab 1802 erschienen. Seine Lehre beruht auf der Untersuchung der Bauelemente und Gebäudepartien, die für die Architektur dieselbe Bedeutung hätten wie die Wörter für die Sprache und die Noten für die Musik. Grundform aller Architektur seien Quadrat und rechter Winkel.
Bei Durand wird deutlich, wie eng der Zusammenhang von Klassizismus und rationaler, ja rationeller Planung ist: »Die symmetrischsten, regelmäßigsten und einfachsten Formen wie der Kreis, das Quadrat, das nicht allzu längliche Rechteck sind die Formen, die für die Wirtschaftlichkeit [des Bauens] am günstigsten sind. Denn sie bilden mit ihrer Hülle einen geringeren Raumumfang als die anderen.« Der Apparat der Würdeformen, der Säulen, Gebälke, Giebel und Gesimse, wurde dabei nicht abgeschafft, sondern mitgeführt. Er war nicht wichtig. Wichtig war für Durand die Befriedigung der Bedürfnisse durch die angemessene Disposition. »Was sind unsere lebhaftesten ästhetischen Eindrücke anderes als die Befriedigung unserer vorherrschenden Bedürfnisse?« Nicht in der Baupraxis, doch im Denken Durands war die Vorfertigung des Bauens schon vollzogen. Kom-Position war im wörtlichen Sinn die Zusammensetzung von Quadraten oder Rechtecken und ihre Kombination mit dem Kreis, also die Verbindung vorausgedachter Gebäudeteile.
In dieser kombinatorischen, doch auch schematischen Kunst ließ sich das Komplizierte durch Addition und Vervielfachung der Teile erreichen.
Sublimierung, ein hartes Geschäft
Wenn aber die Aufgaben und ihre Lösungen näher bei Palladio liegen als bei Durand, wenn es sich um einen Prozess der Sublimierung handeln darf und nicht um die anständige Bewältigung großer Volumen handeln muss, können Abstraktion und Wirtschaftlichkeit auch ein ganz anderes, nämlich entgegengesetztes Verhältnis eingehen. Oft genug ist es Schwerarbeit, einen Entwurf auf seine knappste Formel zu bringen, ohne dass dabei die Nutzungen, für die der Bau gedacht ist, zu kurz kämen, oder die Konstruktionsregeln, Installationen, Bauvorschriften. Dann wird das Idealisierungsgeschäft härter als jede andere Entwurfsarbeit. Der Architekt heute ist ja nicht mehr mit seinem Bauherrn allein und mit einem weitläufigen Grundstück in den Sümpfen der Brenta oder an den südlichen Alpenausläufern.
Man sieht es den jeweiligen Ergebnissen an, welchen der scheinbar so ähnlichen Wege der Architekt ging, den Palladios oder den Durands. Wenn Ungers wie Durand arbeitete, wurde jede harte Bedingung des heutigen Baualltags erfüllt. Man läuft an den langen Fassaden entlang, mit pflichtschuldiger Billigung, oft auch mit Ermüdung, und mit dem »beiläufigen Bemerken«, das Walter Benjamin überhaupt für die angemessene Wahrnehmung von Architektur hielt. Zeitgenössische Fassadentechnik kam dem entgegen. Auch wo die Bauten mit Ziegel oder Natursteintafeln verkleidet sind und nicht mit Glasvorhängen, ›
› bleibt deutlich, dies sind zentimeterdünne Furniere neuzeitlich hinterlüfteter Fassaden, die nichts tragen, nicht einmal sich selbst. Was anderswo als Vortäuschung steinerner Schwere peinlich wirkt, lässt bei Ungers keinen Trugschluss zu. Die Außenflächen bilden bei ihm die Hüllen des geometrischen Körpers und scheinen so materielos wie die Darstellungen stereometrischer Körper im mathematischen Lehrbuch. Sie haben die Leichtigkeit des Schemas wie des Ideals.
Wo Ungers à la Palladio und nicht à la Durand arbeitete, wo Sublimation gewollt war, steht man einem hoch konzentrierten Gebilde gegenüber, das jede Aufmerksamkeit fordert und verdient. Die drei eigenen Häuser – Experimente am eigenen Bauherrenleib – gehören für mich dazu, ebenso der eigene Bücherkubus, die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe, die meisten seiner Museen. Die Nobilitierung der platonischen Formen, vor allem des gleichseitigen Vierecks, scheint hier zu gelingen. Eine Ahnung vermittelt sich, dass Geviert und Würfel, bei denen keine Seite den Vorrang vor der anderen hat, immer als Figuren besonderen Ranges bewertet worden sind. Wie Kreis oder Dreieck stand das Quadrat symbolischen Besetzungen offen. Die Vierzahl konnte die vier Weltrichtungen anzeigen, die vier Elemente, die vier Jahreszeiten, die vier Kardinaltugenden, die vier Evangelisten. Die radikalsten Bilder des vergangenen Jahrhunderts waren Quadrate. Kasimir Malewitschs Schwarze oder Weiße Quadrate haben je nach Interpretation das All und das Nichts verkörpert, die Fülle und die Leere, den Anfang und das Ende. Oder alles zusammen.
So viel Anspruch lässt sich in der Normalität eines heutigen Architektendaseins nicht halten. Auch aus Ungers’ Fensterquadraten erblickt man nicht die vier Weltrichtungen pur, sondern Kölner, Düsseldorfer oder Berliner Straßenalltag. Der Architekt selbst konnte seine strenge Ästhetik durchaus auch mit Humor betrachten: Auf seinem Anwesen in der Eifel, einer ehemaligen Glashütte, lag von früher her Bestattungsrecht. Als ich ihn fragte, ob ihn nicht der Gedanke peinige, ein längsrechteckiges Grab könne der quadratischen Idealvorstellung zuwiderlaufen, meinte er, wieso? Wenn seine Frau neben ihm begraben würde, wäre das Quadrat wiederhergestellt. Sogar der Zufall scheint sein augenblinzelndes Plazet zu dieser idée fixe gegeben zu haben. Der Name der Straße, an der sein Bücherkubus in Müngersdorf steht, heißt seit alters her Quadra ther Straße. Daran ist nicht Ungers schuld, sondern ein Ort in der weiteren Nachbarschaft namens Quadrath.
Ordnung und Chaos
Reine Form, Perfektion, Prinzipientreue machten nicht den ganzen Ungers aus. Zu ihm gehörte auch – nein, nicht das Gegenteil, aber doch eine Welt, die jener anderen magisch konträr verbunden ist. Das gilt auch und gerade für jene Bauten, in denen man sich ein Darüberhinaus nicht vorstellen kann.
Das letzte seiner drei eigenen Häuser ist von einer Konsequenz, jenseits derer die eisige Stille der Perfektion beginnt. Nichts stört die Maße der drei – man ist versucht zu sagen – Kirchenschiffe dieses Hauses, ein Hauptschiff, zwei Seitenschiffe. Alles, was die Reinheit der Räume beeinträchtigen könnte, ist in eine metertiefe doppelschalige Hülle oder in die ebenfalls doppelschaligen Wandschotten verbannt: Kleider, Werkzeuge, Gartenmöbel und das Hundekörbchen. Perfektion hat ihren Preis. Und sei es den, dass man immerzu aufräumen muss. Aber auch dieses Haus hat das Chaos nicht in unsichtbare Verliese verbannen können. Es hat sein Chaos um sich, gegen das es sich behauptet und ohne das seine Ordnung weniger wahrnehmbar wäre: die freundlich-beliebige Nachbarbebauung, den Garten, soweit er nicht zur Architekturhecke geschnitten wurde, und jenseits der Straße den Wald.
Das erinnert abermals an die palladianischen Herrenhäuser in englischen Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts. Nicht der überschaubar geordnete Renaissance-Garten oder die französisch axialen Barockparks haben den strengen, kubisch kühlen Stil des palladianischen Herrenhauses in England hervorgebracht, sondern die freien Auen und Hänge des englischen Parks, natürlicher als die Natur, benötigten die Strenge als Kontrastreiz. Die weiße, maßgerechte Architektur steht in der scheinbar unregulierten Landschaft, in Stourhead oder in Wörlitz, wie ihr anderes Ich.
Die disziplinierte Architektur von Oswald Mathias Ungers lässt nicht vermuten, dass ihr ein ganzes Arsenal von Bildern zugrunde liegt. In seinem Bilderheft Morphologie City Metaphors hat uns Ungers einen Blick in diese Welt der Analogien, Metaphern, Allegorien, Symbole tun lassen. Es öffnet sich ein wahres Pandämonium. Alles scheint für jedes zu stehen, die Frau mit den Lockenwicklern und die Metropole mit ihren Satelliten, der Krabbenpanzer und die Renaissance-Festung, der handgemachte Quilt und die durchgeplante Rasterstadt. Ein Hexensabbat von Bildern, eine Ursuppe bildhaften Denkens.
Dass diese Bilderflut beim Entwerfen dann bis zur Unerkennbarkeit diszipliniert wird, heißt nicht, dass sie den Entwürfen ausgetrieben worden wäre; sie steckt noch in ihnen. Nur sind es dann nicht mehr Frauen mit Lockenwicklern, Krabbenpanzer oder Quilts, sondern es ist das Prinzip des Attachierens, der Abschirmung oder der variierenden Wiederholung. So erscheint das Abstrahieren und Vereinfachen geradezu als eine Notwehr gegen den Reichtum der Natur, der, gäbe man sich ihr preis, zur Formlosigkeit führen müsste. Oder als ein Protest gegen schnell wechselnde Architekturmoden mit ihren kurzen ästhetischen Verfalls- zeiten.
Eingebaute Störung
In seinem Werk sind Brüche eingebaut. Manchmal lag es an den ungewöhnlichen Anforderungen der Bauaufgabe – Heizkraftwerk oder Pumpstation –, bei denen Technik oder Funktion sich ein spannendes Duell mit dem geometrischen System lieferten. Oft schien Ungers Störungen geradezu herbeizusehnen. Er hob nicht die Trasse auf, die ein Grundstück durchschnitt, sondern berücksichtigte sie. Oder er drehte das Raster einer städtebaulichen Planung gegen das vorhandene Raster, so dass sich eine Serie von Konflikten ergab. An den Störungen im Einzelnen wurde die Perfektion des Ganzen deutlich. Und oft auch umgekehrt: an den Störungen im Ganzen die Perfektion des Einzelnen.
War es in den antiken Planungen anders, die Ungers so viel bedeuteten, dass er sie in Gipsreliefs nachbilden ließ, bei den römischen Kaiserforen oder der Villa Hadriana bei Tivoli, die viel mehr war als eine Villa, nämlich eine kaiserliche Stadt? Irgendwo und irgendwann erschöpft sich jedes System, und das Leben fängt ein neues an. Das eine Forum, die eine Tempelgruppe, das eine Stadion stößt ans nächste, das einer ganz anderen Ordnung folgt.
Auch Ungers wusste, dass ein schlüssiges Ganzes nicht erreichbar ist, heute noch weniger denn je, dass jeder Versuch, ein geschlossenes urbanes System zu finden, scheitert. Architekt und Städtebauer müssen in Ergänzungen denken, in Überlagerungen, Konflikten, Fragmenten, Implantaten, komplementären Planungen.
Nichts kommt von Nichts
Das Verhältnis, das Ungers zur Geschichte unterhielt, ist ein Kapitel für sich. Für jemanden, der das Finden über das Erfinden stellt, ist Geschichte nicht der reißende Fluss der Vergänglichkeit, der jeden Tag neues Strandgut anschwemmt und eben Begonnenes wieder fortspült, sondern ist die verborgene Präsenz des Vergangenen. Ungers hätte gewiss den Satz von Joshua Reynolds unterschrieben, des britischen Malers des 18. Jahrhunderts, Erfindung sei genau genommen wenig mehr als eine Kombination jener Bilder, die zuvor im Gedächtnis der Menschen gespeichert worden seien: Nichts kann von Nichts kommen.
»Ich schätze sie alle und glaube, es ist wichtig, dass das Gespräch weitergeht«, sagte Ungers über seine Kollegen. Wer ihn als den orthodoxen Hohepriester eines späten, dogmatischen Rationalismus missversteht, wird Schwierigkeiten haben, ihm dieses Bekenntnis zur Toleranz abzunehmen. Doch warum sollte man es ihm nicht glauben? Ungers vertrat keine exklusiven Positionen. Für komplexe Probleme gibt es keine allein gültigen Lösungen. Wohl aber brachte er in das Gespräch seine Position ein, und das ohne Abstriche: die Architektur als autonome Kunst, der Raum an sich, das Regelwerk der Zahlen und Proportionen, das Bauwerk als Ergebnis einer in der Theorie unendlichen Serie von Transformationen. Das sehen andere anders, wenn sie von Lebensvorgängen ausgehen und von dort aus auf nicht minder schwierigen Wegen zur Gestalt finden. Aber wer sagt, dass der Weg zur autonomen Architektur nicht auch zu gelungenen Lebensvorgängen führen kann? Gestalt, die glückt, übt nicht Zwang aus, sondern ermöglicht Freiheit. •
Dieser Aufsatz geht auf eine Laudatio zurück, die der Kölner Architekturhistoriker am 9. Juni 2000 vor dem Architekten- und Ingenieurverein in Köln gehalten hat.
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